
Getrennt, aber verbunden: Wie Mediation Familien stärkt
Als ich mich scheiden ließ, kam plötzlich alles auf einmal: Emotionen, Unsicherheit, Ärger – und dieser ständige Wechsel zwischen Traurigkeit und Wut. Doch bei all dem Chaos war mir eines sofort klar: Die wichtigste Frage war, wie es mit unseren Kindern weitergeht. Wer bekommt das Sorgerecht? Wie regeln wir das am besten – für sie?
Sorgerechtskonflikte führen häufig zu emotional belastenden Auseinandersetzungen, die sowohl Eltern als auch Kinder stark beanspruchen. Dabei bietet die Mediation eine konstruktive und nachhaltige Möglichkeit, einvernehmliche Lösungen im Sinne des Kindeswohls zu finden.
Zwischen Emotion und Verantwortung
Wenn die Emotionen zwischen frisch getrennten Partnern hochkochen, kann ein kleines Detail große Wirkung entfalten – etwa ein einfaches Foto. Diese Erfahrung machen erfahrene Familienrichter immer wieder. Ein bewährtes Ritual in ihren Sitzungen: Sie bitten die Beteiligten, ein Bild ihres gemeinsamen Kindes oder ihrer Kinder mitzubringen – ein Foto, das gut sichtbar auf dem Tisch liegt. Droht die Stimmung zu kippen, wird der Blick der Eltern bewusst auf das Bild gelenkt. ‚Für diese Menschen sitzen Sie heute hier‘, erinnern sie dann behutsam. Oft genügt dieser Moment der Reflexion, um die Atmosphäre zu beruhigen und den Dialog wieder auf eine sachliche Ebene zu führen.
Manche Mandantinnen und Mandanten nennen als Beweggrund für die Mediation sogar ein weit entferntes, aber umso kraftvolleres Ziel: eines Tages gemeinsam – und in Frieden – die Hochzeit des eigenen Kindes feiern zu können.
Wenn der Streit vor Gericht landet
Dass getrennte Eltern auch nach einer Trennung respektvoll miteinander umgehen können, erscheint in manchen Fällen kaum vorstellbar – insbesondere dann, wenn ein erbitterter Streit um das Sorgerecht eskaliert. In einigen Konstellationen können die Spannungen so weit führen, dass juristische Konsequenzen folgen. So muss sich etwa eine Mutter gemeinsam mit weiteren Angeklagten vor dem Landgericht Hamburg gegen den Vorwurf der Kindesentziehung verantworten. Die mutmaßliche Entführung zweier Kinder markierte den vorläufigen Höhepunkt eines jahrelangen, stark konfliktbeladenen Streits über deren Lebensmittelpunkt. Die Kinder hatten bis dato gemeinsam mit ihrer ältesten Schwester bei der Mutter in Hamburg gelebt und verbrachten regelmäßige Wochenenden beim Vater, der mit seiner neuen Partnerin sowie der mittleren Schwester in Dänemark wohnte. Nach einem dieser Aufenthalte brachte der Vater die Kinder nicht wie vereinbart zurück. Er begründete dies mit dem Wunsch der Kinder, die sich seiner Darstellung nach bei der Mutter nicht mehr wohlgefühlt hätten.
Die Mutter bemühte sich in der Folge um die Rückführung der Kinder und nutzte alle rechtlich vorgesehenen Mittel. Vor dem Familiengericht blieb ihre Sorgerechtsklage zunächst ohne Erfolg. Das Oberlandesgericht Hamburg hingegen sprach ihr später das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu. Die Rückführung scheiterte dennoch, da der Vater sich weiterhin weigerte, die Kinder herauszugeben, und die dänischen Behörden den Beschluss mit Hinweis auf eine mögliche Kindeswohlgefährdung nicht vollstreckten. Zum Jahreswechsel 2023/24 kam es zu einem dramatischen Vorfall: Während die Kinder gemeinsam mit ihrem Vater das Silvesterfeuerwerk betrachteten, wurden sie laut Angaben der Ermittlungsbehörden von vermummten Männern entführt und per Fahrzeug von Dänemark nach Süddeutschland gebracht. Die Staatsanwaltschaft Hamburg geht davon aus, dass die Entführung im Auftrag der Mutter organisiert wurde. Auch ihr Lebensgefährte soll in die Aktion eingeweiht gewesen sein. Kurze Zeit später verfügte das Oberlandesgericht Hamburg die Rückführung der Kinder nach Dänemark.
Verhandeln statt streiten
Grundsätzlich ist Mediation nur dann sinnvoll sei, wenn beide Seiten aus eigenem Antrieb bereit sind, eine Lösung zu finden. In hochkonflikthaften Beziehungen hat Mediation keine Chance. Eltern, die einander vor Gericht siezten – ein Zeichen dafür, wie tief Gräben in solchen Konflikten sein können. In solchen Fällen seien klare richterliche Anordnungen oft der einzige gangbare Weg.
Demgegenüber verfolgt die Mediation einen anderen Ansatz: Ziel ist es, dass ehemalige Partner eigenverantwortlich und lösungsorientiert miteinander arbeiten – unter professioneller Begleitung und mit dem Fokus auf tragfähige Vereinbarungen, die den Bedürfnissen aller Beteiligten gerecht werden. Voraussetzung dafür ist der grundsätzliche Wille beider Seiten, eine außergerichtliche Einigung zu erzielen, auch wenn dies emotional noch herausfordernd sein mag.
Zwei Köpfe, ein Ziel: Ko-Mediation
Einige Mediationspraxen setzen bewusst auf das Modell der Ko-Mediation – also die gemeinsame Durchführung von Sitzungen durch zwei Mediatorinnen oder Mediatoren. Ein Vorteil dieses Ansatzes liegt in der ausgewogenen Besetzung, etwa in Bezug auf das Geschlecht, wodurch sich beide Parteien oft gleichberechtigter wahrgenommen fühlen. Darüber hinaus ermöglicht die doppelte Präsenz eine höhere Aufmerksamkeit für die Anliegen der Beteiligten – insbesondere in emotional belasteten Verfahren wie Trennungs- und Scheidungskonflikten.
Mediation ist eine intensive und anspruchsvolle Form der Konfliktbearbeitung. Zwei Mediatoren können unterschiedliche Methoden einsetzen, die allein schwer umsetzbar wären. Dazu zählt beispielsweise das „Reflecting Team“: Dabei sprechen die Mediatoren während oder am Ende einer Sitzung über die Situation des Paares, als seien diese nicht anwesend – allerdings in einer respektvollen und beobachtenden Weise. Eine typische Formulierung könnte lauten: „Ich habe den Eindruck, dass zwischen den beiden noch etwas unausgesprochen ist.“ Ohne eine direkte Frage zu stellen, wird so ein Raum für Reflexion geschaffen. Häufig greifen die Beteiligten solche Impulse in späteren Gesprächen auf und bringen neue Perspektiven ein – ein Prozess, der Veränderung ermöglichen kann, ohne Druck auszuüben.
In wenigen Sitzungen zu klaren Ergebnissen
In vielen Fällen reichen bereits wenige Termine aus, um in einer Mediation zentrale Themen zu klären – häufig sind es nicht mehr als vier Sitzungen. Zu Beginn steht meist das Thema Kinder im Vordergrund, insbesondere die Fragen zu Betreuungszeiten und dem künftigen Lebensmittelpunkt. Manche Mediatorinnen und Mediatoren beziehen Kinder aktiv in den Prozess mit ein, andere wiederum führen ausschließlich Gespräche mit den Eltern. Im weiteren Verlauf geht es in der Regel um Wohnsituationen sowie die Aufteilung gemeinsamer Vermögenswerte, etwa Immobilien.
Die erste Sitzung dient vor allem dem gegenseitigen Kennenlernen und dem Einstieg in den Dialog. Die Konfliktparteien – oft auf Empfehlung von Anwälten, früheren Teilnehmenden oder über Online-Recherche zur Mediation gekommen – werden eingeladen, jeweils nacheinander und ohne Unterbrechung ihre Sichtweise darzulegen. Dabei geht es nicht nur um Fakten, sondern auch um Emotionen, Sorgen und Beweggründe für die Entscheidung zur Mediation. Das aktive Zuhören spielt hier eine zentrale Rolle – auch wenn es mitunter viel Selbstbeherrschung erfordert.
Kommt nach diesem Termin eine Zusammenarbeit für alle Beteiligten infrage, liegt der Fokus der folgenden Sitzungen auf der strukturierten Herausarbeitung und dem Abgleich der jeweiligen Interessen. Eine bewährte Methode dabei ist das Paraphrasieren: Die Mediatorinnen und Mediatoren fassen die Aussagen der Beteiligten in eigenen Worten zusammen. Diese Technik fördert das gegenseitige Verständnis und hilft, festgefahrene Sichtweisen zu öffnen – ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einvernehmlichen Lösungen.
Was wirklich zählt: Bedürfnisse erkennen
Durch gezielte Fragetechniken können Mediatorinnen und Mediatoren die persönlichen Bedürfnisse der Beteiligten identifizieren und transparent machen – etwa nach Sicherheit, Wertschätzung, Selbstbestimmung oder Zugehörigkeit. Wird dieser Bedarf sichtbar, fällt es den Beteiligten häufig leichter, sich von starren Positionen zu lösen und den Weg für gemeinsame Lösungen zu öffnen. Der Verlauf der Mediation wird in vielen Fällen durch Visualisierungen unterstützt – etwa durch das Festhalten von Zwischenschritten auf einem Flipchart. Bei Bedarf erhalten die Teilnehmenden Aufgaben für die Zeit zwischen den Sitzungen: Dazu zählen etwa die Reflexion bestimmter Themen, Gespräche mit den jeweiligen Rechtsbeiständen oder das Zusammenstellen relevanter Unterlagen.
Kostenfaktor Mediation? Eine Investition mit Wirkung
Die Inanspruchnahme einer Ko-Mediation – also mit zwei Mediatorinnen oder Mediatoren – kann mit einem etwas höheren finanziellen Aufwand verbunden sein. Dieser liegt in der Regel jedoch deutlich unter den Kosten, die ein langwieriges und streitiges Gerichtsverfahren verursachen würde. In wirtschaftsstarken Regionen wie dem Rhein-Main-Gebiet ist dieses Angebot für viele Ratsuchende gut finanzierbar.
Auch Paare mit kleinerem Budget müssen bei einer Trennung nicht auf professionelle Unterstützung verzichten. Einrichtungen wie Pro Familia oder die Caritas bieten Mediationen an, die auf die Bedürfnisse einkommensschwächerer Familien zugeschnitten sind. Eine weitere Möglichkeit stellt das sogenannte Güterichterverfahren dar – eine besondere Form der gerichtlichen Mediation.
Kommt es im Rahmen eines familiengerichtlichen Verfahrens – etwa bei Fragen zu Vermögensaufteilung, Unterhalt, Sorgerecht oder Umgang – zu einem ersten Termin, kann das Gericht den Parteien vorschlagen, das Verfahren auf diesem alternativen Weg weiterzuführen. Voraussetzung ist, dass beide Seiten einwilligen und der zuständige Richter Potenzial für eine einvernehmliche Lösung erkennt. Die Sache wird dann an eine Kollegin oder einen Kollegen übergeben, die oder der als Familienrichterin oder -richter tätig ist und zugleich als Güterichter ausgebildet wurde. Ziel ist es, gemeinsam eine tragfähige Einigung zu erarbeiten, die das gerichtliche Verfahren im besten Fall ersetzt – ein Weg, der Zeit, Nerven und oft auch erhebliche Kosten sparen kann.
Potenzial mit Perspektive
Am Amtsgericht Bad Homburg haben sich Güterichterverfahren fest etabliert – mit beachtlicher Erfolgsbilanz. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die dortige Gerichtspraxis seit Jahren konsequent auf diese Form der einvernehmlichen Streitbeilegung setzt. „Wir machen damit sehr gute Erfahrungen“, heißt es aus der Leitung des Gerichts. Für die Beteiligten bedeutet das: geringere Kosten, weniger emotionale Belastung – und für das Gericht ein effizienterer Ressourceneinsatz, da Verfahren oft schneller abgeschlossen und keine aufwendigen Beschlüsse mehr erforderlich sind.
Der Wunsch, dieses Verfahren stärker bundesweit zu etablieren, ist in der Fachwelt deutlich spürbar. Zwar wurde mit dem Mediationsgesetz im Jahr 2012 eine gesetzliche Grundlage geschaffen, doch hängt die tatsächliche Umsetzung weiterhin von den Justizverwaltungen und den Leitungen der Amtsgerichte ab. Ob Kolleginnen und Kollegen ermutigt werden, sich zum Güterichter ausbilden zu lassen und diesen Weg aktiv zu beschreiten, liegt bislang weitgehend im Ermessen der jeweiligen Gerichtsorganisation.
Ein Blick auf die Zahlen zeigt, wie viel Potenzial noch ungenutzt bleibt: Im Jahr 2023 wurden lediglich 0,51 Prozent aller familiengerichtlichen Verfahren an Güterichterinnen und Güterichter verwiesen – bundesweit waren das 2.691 Fälle. Doch dort, wo dieses Verfahren zum Einsatz kam, konnten immerhin 65 Prozent der Streitigkeiten einvernehmlich beigelegt werden.
Ein Blick in die Zukunft
Was diese Form der Konfliktlösung bewirken kann, zeigt sich oft erst mit zeitlichem Abstand. Immer wieder berichten Menschen, die in erbitterten Auseinandersetzungen um Kinder oder Vermögensfragen standen, wie sehr sie noch Jahre später unter den emotionalen Nachwirkungen litten. Selbst alltägliche Dinge wie der Gang zum Briefkasten wurden zur Belastung – verbunden mit der Erinnerung an anwaltliche Schreiben oder gerichtliche Entscheidungen. Verfahren wie die Güterichtermediation bieten hier eine Chance, Eskalationen frühzeitig zu verhindern und nachhaltige, tragfähige Lösungen zu finden – auf Augenhöhe und mit Blick auf das Wohl aller Beteiligten.











