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Nachhilfe – analoge und digitale Förderung

Ich bin einigermaßen verzweifelt. Ein sehr herausforderndes Schuljahr neigt sich endlich dem Ende zu und die Sommerferien stehen vor der Tür! Ich fühle mich nicht erst seit der Corona-Krise als Ersatzlehrer für meine Kinder. Ich habe das Gefühl, meine Tochter hat jetzt vollkommen den Faden verloren – die Motivation schon lange. Soll ich sie einfach „gegen die Wand laufen lassen“? Aber das ist auch keine familienalltagstaugliche Strategie!

Eines ist sicher: In meiner Rolle als Mutter kann ich nur Lernbegleiterin sein. Wäre Hilfe von außen sinnvoll?

Eltern sind schlechte Nachhilfelehrer

Vor allem in den ersten Jahren brauchen Kinder Unterstützung, jedoch in Maßen. Eltern bringen vielleicht die sachlichen Voraussetzungen dafür mit, ihren Kindern selbst Nachhilfe zu erteilen. Experten raten jedoch davon ab. Eltern sind Eltern und keine Ersatzlehrer. Sie haben keine Ausbildung in Sachen Pädagogik oder Didaktik, verwirren durch ihre eigene Methodik mehr als das sie unterstützten und überschätzen ihre Kompetenzen oft. Das Verhältnis von Eltern zu ihrem Kind ist zudem ein emotionales, was bei Nachhilfe nicht förderlich, sondern eher hemmend ist und zu Stress, Bockigkeit und schlechter Stimmung in der Familie führt.

Die richtige Balance zwischen Unterstützung und Unabhängigkeit ist das, was ihrem Kind am meisten helfen wird!

Der Nachhilfe Run

Die Pandemie hat uns unsere Defizite bei der Digitalisierung der Schulen deutlich vor Augen geführt. Nun boomen Lern-Apps und digitale Plattformen.

Schauen wir uns die Leistungsmessungen an deutschen Schulen in den vergangenen Jahren an, von den jüngsten Pisa-Studien bis zu den Vergleichstests ‚Vera‘, ist das ein alarmierendes Ergebnis. Eine hohe Anzahl der deutschen Schüler liest und rechnet auf den weiterführenden Schulen noch auf Grundschulniveau. Ohne die Gymnasien sieht das Bild noch schlechter aus. Und das ist der Stand bei analogem Unterricht. Die Problemlagen während Corona sind dabei noch gar nicht berücksichtigt. Nach Angaben des Lehrerverbands ist seit Beginn der Corona-Pandemie rund die Hälfte der Schulstunden im Präsenzunterricht ausgefallen.

Die Nachfrage nach außerschulischer Unterstützung ist groß. Jeder fünfte Schüler zwischen zehn und 18 Jahren erhält in Deutschland Nachhilfe. Eltern investieren pro Monat durchschnittlich 87 Euro in die zusätzliche Schul-Förderung ihrer Kinder. Das sind jährlich fast 900 Millionen Euro für private Nachhilfestunden. Derzeit liegen die Preise bei privaten wie bei kommerziellen Anbietern durchschnittlich zwischen acht und 25 Euro für eine Unterrichtsstunde.

Ein Großteil der Schüler verbessert seine Noten – Nachhilfe hilft.

Ist zusätzliche Unterstützung wirklich die Lösung für jedes Schulproblem?

Nachhilfe ist nicht zu empfehlen, wenn ein Kind gleich in mehreren Fächern Lücken aufweist! In solch einem Fall liegen die Probleme meist tiefer und der Blick sollte auf den Lernprozess, also die konkrete Lernsituation am Schreibtisch gerichtet werden, im Sinn von: „Weiß mein Kind, wie es richtig lernt?“ oder „Hat es das Lernen in der Schule gelernt?“

Das „Lernen lernen“ wird im deutschen Schulsystem leider noch immer stiefmütterlich behandelt. Nur wenige machen sich Gedanken darüber, wie eine individuelle Lernförderung aussehen müsste, die Kinder zu eigenständigem Lernen befähigt. So fällt vielen Kindern das Lernen ganz grundsätzlich schwer – und zwar unabhängig vom Fach! Das hat logischerweise Auswirkungen auf die Konzentration, die Motivation und die Selbstorganisation bzw. der Selbstständigkeit beim Lernen.

Noten verbessern gelingt nur mit einem Plan

Ziel hierbei ist es, dem Schüler gute Lerntechniken, bessere Noten und wieder mehr Selbstvertrauen zu geben. Experten raten dazu, strategisch vorzugehen:

Im ersten Schritt sollten gemeinsam mit dem Schüler die Ursachen für die Lernschwierigkeiten herausgefunden werden. Gründe können der Umzug in ein anderes Bundesland, Krankheit oder Erlebnisse im privaten Bereich wie ein Trauer- oder Trennungsfall in der Familie sein. Fällt dies aus, ist der Blick zur Schule zu richten. Hier spielen Unterrichtsausfälle, zu große Klassen und das Verhalten der Mitschüler und Mitschülerinnen eine Rolle.

Manchmal ist auch der Schüler selbst die Ursache.  Konzentrations- und Aufmerksamkeitsschwierigkeiten bis hin zu Dyskalkulie (Rechenschwäche) und Legasthenie (Lese-Rechtschreib-Schwäche) sind zwar selten, können aber nicht durch eine gewöhnliche Nachhilfe beseitigt werden. Sie müssen gezielt betreut werden

Im zweiten Schritt sollte das Gespräch mit dem Klassen- oder Fachlehrer gesucht werden: Was genau fällt meinem Kind schwer?  Warum hat es Probleme? So weiß man besser, wo die Nachhilfe ansetzen muss und den Lehrer nach einer Empfehlung fragen.

Die Folge davon: Kinder verlieren ihre natürliche Lust am Lernen. Sie sind mit einfachen Aufgabenstellungen bereits überfordert und trauen sich immer weniger zu. Statt Spaß und Neugierde an der schulischen Herausforderung stellt sich Frust, Stress und Druck ein. In manchen Fällen sogar Schul- oder Prüfungsangst.

Nachhilfe in einer Eins-zu-Eins-Betreuung

Bei ernsthaften Problemen mit einem Fach, starker Verunsicherung, auch vor Abschlussarbeiten oder anderen wichtigen Klausuren ist private Nachhilfe sinnvoll. Zudem kann der/die NachhilfelehrerIn individuell auf die Persönlichkeit des Kindes abgestimmt ausgesucht werden und wenn die Chemie zwischen beiden nicht stimmt, gewechselt werden. Wichtig beim Lernen ist hier die zwischenmenschliche Beziehung sowie der persönlicher Draht.

Ältere Mitschüler oder Studenten, die Nachhilfe anbieten, findet man über das schwarze Brett in der Schule bzw. die Jobbörsen der Universitäten.

Lernförderung am Institut

Neben älteren Schülern oder Studenten bieten zahlreiche Institute Nachhilfeunterricht an. Einige, wie Studienkreis, Schülerhilfe oder Lernstudio Barbarossa, geben deutschlandweit Unterricht, andere, wie Lernwerk, nur in bestimmten Gebieten. Hinzu kommen noch Online-Angebote und Ferienkurse.

Über 3000 gewerbliche Nachhilfeinstitute gibt es inzwischen in Deutschland. Hier kann das Kind Einzelunterricht bekommen oder – in den meisten Fällen – in einer Gruppe von bis zu 5 SchülerInnen den gelernten Schulstoff vertiefen. Bei der Entscheidung hierfür sollten die Anmeldebedingungen genau geprüft werden. Seriöse Institute bieten kurzfristige Verträge, die man spätestens nach einem Vierteljahr wieder kündigen kann. Sie drängen nicht zum Unterschreiben und bieten Probestunden an. In ihren Lerngruppen sollten nicht mehr als zehn Schüler sitzen, die alle im selben Alter sind und dieselbe Schulform besuchen. Dazu gehört auch, dass man das Unterrichtsmaterial nicht im Voraus bezahlt und nicht weiterzahlen muss, wenn man zum Beispiel in den Urlaub fährt.

Neben der klassischen Konstellation – Kind plus Nachhilfelehrer – haben sich zunehmend reine Online-Angebote etabliert, die durch die Corona-Krise neuen Schwung erhalten haben.

Der Markt ist allerdings unübersichtlich.

Nachhilfe nur einen Klick entfernt

Online-Nachhilfe mit Videos und Übungen ohne Lehrer erfordert viel Selbstverantwortung. Schüler müssen wissen, wo ihre Lücken sind und auch schon Strategien parat haben, sie zu füllen. Wer sich und seine Defizite aber gut kennt und nur hier und da eine Extra-Einheit braucht, kann sich getrost im Netz umschauen, etwa unter den zahllosen kurzen, verständlichen und kostenlosen Videos auf YouTube. Wer sich von einer Note drei auf eine zwei verbessern möchte und genug Motivation sowie Eigenverantwortung mitbringt, kann Spaß an Lernportalen haben.

Viele Angebote, große Unterschiede

Der Markt für Nachhilfe ist groß und bisweilen unübersichtlich. Auf der einen Seite stehen kostenpflichtige Angebote wie Sofatutor, Lernwerk oder The Simple Club. Sie sehen sich als Ergänzung zum Schulunterricht und bieten Videos, Erklärungen und Spiele für viele Schulfächer, unterscheiden aber nicht zwischen den Lehrplänen einzelner Bundesländer. Die Plattformen Learnattack von Duden, Scoyo und Kapiert von Westermann dagegen gehen auf aktuell gültige Lehrpläne ein. Bei letzterem ist sogar das Schulbuch als eBook integriert, man kann also zu Hause digital mit dem Buch lernen. Ab etwa sieben Euro pro Monat können Eltern ihre Kinder auf den Plattformen anmelden. Die Lern App Simple Club bietet für elf Fächer ab der 7. Klasse mit mehr als 3000 Lernvideos an. Außerdem können Studenten noch Maschinenbau wählen. Sie ist entstanden aus einem Youtube-Projekt zweier Oberstufenschüler.

Bei vielen Online-Angebote mittlerweile eine Eins-zu-eins-Betreuung möglich – per Videochat. Anbieter wie GoStudent, Easy-tutor.de und Studienkreis.de haben sich sogar darauf spezialisiert, es gibt ausschließlich Einzelunterricht von einem Nachhilfelehrer. Schüler und Lehrer sind per Webcam und Headset miteinander verbunden.

Online-Angebote von günstig bis kostenlos

Die Zahl der kostenlosen Angebote im Netz wächst rasant. Mathe-Erklärer Daniel Jung hat auf der Videoplattform YouTube mittlerweile über 292.000 Abonnenten und über 87.000.000 Aufrufe. Wer die Kurvendiskussion im Unterricht nicht verstanden hat, klickt nachmittags einfach auf eines der Videos und lässt es sich noch einmal erklären.

Spannendes Allgemeinwissen rund um Politik, Geschichte und das aktuelle Zeitgeschehen erklärt Mirko Drotschmann als MrWissen2go seinen über 515.000 Abonnenten mit über 49.000.000 Aufrufen.

 

Fazit: Gute analoge Nachhilfe, sollte dem Kind vermitteln, selbstständig zu lernen. Sonst besteht die Gefahr, dass die Noten wieder abrutschen, sobald es mit der Nachhilfe aufhört. Der Vorteil der digitalen Angebote liegt auf der Hand: Die Flexibilität, ständig und mobil die Angebote zu nutzen sowie auch die ‚Gamifizierung‘, in der spieleähnliche Aufgaben mit dem Lernmaterial verknüpft werden.