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Special: Patchwork Familien brauchen ein Testament

Patchwork-Familien sind heute bereits fast so häufig wie das klassische Familienmodell. Ehen und Beziehungen ohne Trauschein gehen auseinander, neue Ehen und Beziehungen entstehen. Kinder aus früheren Beziehungen leben mit dem neuen Partner oder der neuen Partnerin und deren Kindern zusammen.

Familie kann anstrengend sein, selbst ohne Streitereien. Das neue Jahr ist schon ein paar Monate alt, doch wer in den Tagen rund um Weihnachten und Silvester lange Strecken mitunter bei Eis und Schnee quer durch die Republik gereist ist, um seine an mehreren Orten verstreuten Kinder zu besuchen, weiß ein Lied davon zu singen. Viele Familien leben in solch „komplizierten“ Familienverhältnissen. Kinder aus erster Ehe und gemeinsame Kinder mit einem neuen Partner sind heute oft normal. Dann ist es schwierig, allen in gleicher Weise gerecht zu werden. Das gilt nicht nur emotional, sondern auch finanziell, und nicht nur im Moment, sondern auch über den Tod hinaus.

Trotzdem sind Patchwork-Familien im Erbrecht bisher nicht vorgesehen.

Was im Familienalltag in der Regel problemlos funktioniert, sorgt bei der Gestaltung des letzten Willens dagegen regelmäßig für Herausforderungen.

Unterschied zwischen der sozialen und der rechtlichen Familie

Der Gesetzgeber macht grundsätzlich einen Unterschied zwischen der sozialen und der rechtlichen Familie. Das Erbrecht behandelt Stiefkinder nicht gleichberechtigt mit leiblichen oder adoptierten Kindern.

In Abwesenheit eines Testaments oder Erbvertrags tritt die gesetzliche Erbfolge in Kraft. Gemäß dieser Regelung erben neben dem Ehepartner oder eingetragenen Lebenspartner nur direkte Nachkommen (Abkömmlinge) und Vorfahren des Verstorbenen.

Heiraten die Eltern neu, wird es für die Kinder aus erster Ehe knifflig. Sie erben nach dem Gesetz unterschiedlich viel. Und was passiert mit dem Familienheim? Es gilt viele Fragen zu klären.

Weil Stiefkinder keinen Anspruch auf Erbteil und auch nicht auf den Pflichtteil haben, muss für sie im Testament besonders sorgfältig geplant werden. Sonst drohen im Erbfall unliebsame Überraschungen.

Erbe regeln statt Roulette spielen

Verantwortung übernehmen kann auch bedeuten, das eigene Erbe zu regeln. Alles andere ist in Patchwork Familien Roulette. Schon in einer vergleichsweisen einfachen Konstellation kann ein ungeregeltes Erbe deshalb für Ungerechtigkeiten sorge. Ein Beispiel:

Ein frisch vermähltes Ehepaar hat aus erster Ehe je ein Kind mit in die zweite Ehe gebracht. Wie viel diese beiden Kinder eines Tages erben werde, hängt nach dem Gesetzt davon ab, welcher Ehepartner als Erster stirbt. Gleich behandelt werden sie keineswegs. Vielmehr hat das Kind des zuerst sterbenden Ehepartners in gewisser Weise doppelt Pech: Als Folge der zweiten Ehe seines Vaters oder seiner Mutter erhält es mit Tod dieses Elternteils nur die Hälfte von dessen Vermögen; die andere Hälfte des Vermögens geht an den neuen Ehepartner. Und in dessen Familie bleibt diese Hälfte auch. Denn wenn der neue Ehepartner als Zweiter stirbt, erhält dessen Kind aus erster Ehe alles, einschließlich des Teils des Vermögens, der zuvor vom Ehepartner (und an dessen Kind aus erster Ehe vorbei) auf ihn übergangen ist.

Das Ergebnis der gesetzlichen Erbfolge ist also: Das Kind aus erster Ehe, dessen Elternteil den Ehepartner aus zweiter Ehe überlebt, erhält drei Viertel des Gesamtvermögens beider Ehegatten. Das Kind des Erstversterbenden dagegen nur ein Viertel.

Was ist beim Nachlass zu beachten?

In Patchwork-Familien stehen Sie vor einer grundlegenden Entscheidung. Die gesetzliche Erbregelungen können zu erheblichen Ungerechtigkeiten führen. Entweder priorisieren Sie die sozialen Bindungen und behandeln alle Kinder gleich, oder Sie entscheiden sich für die Anwendung der gesetzlichen Erbfolge. Daher ist es empfehlenswert, den Nachlass individuell zu gestalten, um ihn an die tatsächliche familiäre Situation und persönlichen Vorstellungen anzupassen. Sie sollten sich nicht ausschließlich auf die gesetzlichen Erbregelungen verlassen.

Klärung der Familiensituation:

  • Ist einer der Partner verwitwet oder geschieden?
  • Welche Kinder bringen die Partner in die Beziehung?
  • Gibt es gemeinsame Kinder?
  • Existieren noch minderjährige Kinder?
  • Lebt der andere Elternteil von Kindern aus früheren Beziehungen noch?
  • Zu welchen Kindern besteht Kontakt und welche sollen als Erben bedacht oder ausgeschlossen werden?
  • Gab es Adoptionen von Kindern? Wenn ja, wurden sie als Minderjährige oder Erwachsene adoptiert?

Bei der Ausarbeitung eines Testaments spielt auch die finanzielle Situation der Partner eine wichtige Rolle. Dazu gehören beispielsweise:

  • Klärung des Vermögensstatus: Welches Vermögen gehört wem? Wer besitzt Konten und gibt es gemeinsame Konten?
  • Bestehen Immobilienbesitz?
  • Ist einer der Partner selbstständig oder Anteilseigner an einem Unternehmen?
  • Existiert Vermögen im Ausland?
  • Wurden (Lebens-)Versicherungen abgeschlossen, bei denen ein Begünstigter benannt ist?

Das Wichtigste bei der Gestaltung eines Testaments sind jedoch die individuellen Ziele der Testierenden, beispielsweise:

  • In welchem Umfang soll und muss der Partner finanziell abgesichert werden?
  • Soll der Überlebende die Möglichkeit haben, eine Immobilie zu verkaufen?
  • Soll dem Überlebenden die Option eingeräumt werden, das Testament zu ändern?
  • Welche Kinder sollen bedacht und welche gegebenenfalls ausgeschlossen werden?
  • Wie sollen potenzielle Pflichtteilsansprüche behandelt werden?
  • Ist es erwünscht, diese so gering wie möglich zu halten?
  • Ist voraussichtlich eine Erbschaftsteuer fällig, und soll versucht werden, diese zu minimieren?

Generell kann festgehalten werden:

  • Ehepartner besitzen einen Anspruch auf den Pflichtteil ihres verstorbenen Partners.
  • Stiefkinder, die von einem Partner in die Beziehung oder Ehe gebracht wurden, haben keinen gesetzlichen Anspruch auf den Pflichtteil. Jedoch können sie im Testament bedacht werden, was jedoch nicht verpflichtend ist.
  • Dies gilt ebenso für Lebenspartner ohne Eheschein. Sie können im Erbe berücksichtigt werden, ohne dass eine gesetzliche Verpflichtung besteht.
  • Alle leiblichen und adoptierten Kinder haben gegenüber ihrem leiblichen Elternteil einen Anspruch auf den Pflichtteil.
  • Erblasser sind nicht dazu verpflichtet, allen ihren Kindern über den Pflichtteil hinaus denselben Erbteil zu gewähren.

Unternehmer besonders gefordert

Unternehmer stehen vor besonderen Herausforderungen, insbesondere, wenn ihr Kapital im Unternehmen gebunden ist und sie über begrenzte Liquidität verfügen. Gerade sie müssen ihren Nachlass sorgfältig planen, wenn sie in Patchwork-Familienkonstellationen leben. Denn Ehepartner und alle leiblichen Kinder haben Pflichtteilsansprüche, die im Falle des Todes zeitnah und in bar erfüllt werden müssen.

Erben meine Kinder, deine Kinder oder du?

Das Leben ist komplex – genau wie eine Patchwork Familie. Diese Komplexität zu erfassen und den Interessen aller Beteiligten in einer Patchwork-Familie gerecht zu werden, ist nicht automatisch vom Gesetzgeber vorgesehen. Vielmehr liegt es in der Verantwortung jedes Einzelnen, die Beziehungen in der Patchwork-Familie so zu gestalten, dass erbrechtliche Probleme weitgehend vermieden werden können. Obwohl es kein spezifisches Erbrecht für Patchwork-Familien gibt, bestehen Regelungen, die Stiefkinder, adoptierte Kinder und Ehepartner betreffen. Die Erstellung eines rechtssicheren Testaments für eine Patchwork-Familie erfordert fachkundige Beratung und ist deswegen keine ‚Lösung von der Stange‘.

Mit der richtigen Planung bleibt es zusammengewürfelt und dabei doch stimmig!