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Weltkindertag und Familienpolitik 2021

Speziell in den vergangenen Monaten wurden die Interessen von Kindern und Jugendlichen erst hintangestellt, dann ignoriert und schließlich mit Füßen getreten. Beispiele dafür gibt es mehr als genug. Kinderarztpraxen und Kinderpsychologen haben volle Terminkalender.

Weltkindertag 2021

Mit dem Motto des diesjährigen Weltkindertags „Kinderrechte jetzt!“ unterstreicht UNICEF Deutschland und das Deutsche Kinderhilfswerk wieder einmal, dass es dringend an der Zeit ist, die in der UN-Kinderrechtskonvention festgeschriebenen Kinderrechte umzusetzen und eine gerechte und nachhaltige Welt zu schaffen. Vieles ist leider noch immer nicht geschafft:

Die eigentlich geplante Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz haben wir immer noch nicht. Das ist bedauerlich. Corona hat nicht nur eine internationale Bildungskrise verursacht, es gibt auch immer noch eine relative Kinderarmut, selbst in Deutschland. Der Klimawandel betrifft nicht nur Kinder da draußen in der Welt. Um bessere Entwicklungschancen für Kinder, um einen gerechteren Zugang zu Bildungschancen, um ein Leben in intakter und gesunder Umwelt für Kinder geht es auch direkt vor unserer Haustür.

Die nächste Bunderegierung wird für Kinder enorm viel zu tun haben. Politische Entscheidungen müssen sich endlich auch an den Interessen der Kinder und Jugendlichen ausrichten.

Zukunft von Familie und Kindern 

Die Bundestagswahl in 4 Tagen entscheidet auch darüber, wie es in unserem Land mit Familien und Kindern weitergeht. Deshalb ist es wichtig zu wissen, was die Parteien vorhaben. Schauen wir uns die Programme der Parteien an, die Teil der nächsten Regierung sein könnten und konzentrieren uns hier auf drei Schwerpunkte: Was sagen die Parteien zu Chancengerechtigkeit, zur Kindergrundsicherung und zur Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre?

Dabei liegt das Augenmerk nur auf konkrete Forderungen, die neu sind. Parteien, die in ihrem Programm nur schreiben, wie wichtig etwas ist, aber keine Lösung anbieten, sind nicht aufgeführt.

Wie wollen die Parteien Chancenungleichheit bekämpfen?

Die CDU möchte eine flächendeckende Sprachstandserhebung bei Kindern einführen. Diese soll dann, wenn nötig, eine verbindliche Sprachförderung nach sich ziehen. Ein individueller Sprachförderplan soll Ziele, Dauer und Umfang der konkreten Maßnahmen festhalten.

Die SPD möchte Sozialkritierien einführen, damit Geld dort ankommt, wo es gebraucht wird: an Schulen, an denen besonders viele Schüler:innen aus bildungsfernen Familien lernen. Das würde heißen: Der Zustand einer Schule würde weniger davon abhängen, ob sie in einer reichen oder armen Kommune steht. Außerdem will die SPD die frühkindliche Bildung weiter ausbauen sowie beitragsfreie Kitas und freie Fahrt in Bus und Bahn im Nahverkehr für Kinder.

Die Grünen möchten dauerhafte Finanzierungswege für mehr Bildungsgerechtigkeit schaffen, „um Regionen oder Quartiere mit Schulen mit besonderem Unterstützungsbedarf zu stärken.“

Die FDP will „Talentschulen mit modernster Pädagogik und bester Ausstattung aufbauen – insbesondere in kinderreichen Stadtteilen und in Regionen mit großen sozialen Herausforderungen.“ Schulen, in die viele Kinder aus schwierigeren Verhältnissen gehen, sollen einen „German Dream“-Zuschuss bekommen. Außerdem will die FDP Initiativen wie Arbeiterkind.de in Form von Aufstiegspatenschaften einbinden. Schulen sollen in Kooperation mit den Kammern und Hochschulen „Aufstiegsscouts“ einstellen, die als Ansprechpersonen für Schüler:innen fungieren. Die FDP will wie die CDU, dass jedes Kind mindestens ein Jahr vor der Einschulung an einem Deutschtest teilnimmt.

Die Linke fordert eine Offensive des Bundes für mehr Lehrkräfte, Erzieher:innen und Schulsozialarbeiter:innen: 100.000 Lehrkräfte und 200.000 Erzieher:innen zusätzlich. Außerdem will die Linke „wirkliche Lehr- und Lernmittelfreiheit, kostenfreie Verpflegung in Kita und Schule und kostenfreie Beförderung von Schüler:innen.“ Der Kita-Besuch soll generell gebührenfrei sein. Dazu noch „ein Programm, das vom Bund mitfinanziert wird und Aus- und Weiterbildung von zusätzlichen Lehrkräften umfasst, die Deutsch als Zweitsprache unterrichten und eine Erstausstattung an Schulbedarf für alle Kinder.“ Die Linke fordert eine Schulsozialarbeiter:in pro 150 Schüler:innen.

Welche Parteien wollen eine Kindergrundsicherung?

Chancenungleichheit fängt nicht erst an, wenn Kinder zur Schule gehen. Sie beginnt praktisch mit der Geburt. Eine Möglichkeit, dieses frühe Auseinanderdriften der Chancen von Schüler:innen aus Akademikerfamilien und Kindern aus Nicht-Akademikerfamilien zu bekämpfen, ist, Kinderarmut zu bekämpfen.

Die Grünen, die SPD und die Linke wollen deshalb eine Kindergrundsicherung einführen. Familien sollen für jedes Kind einen festen Garantie-Betrag bekommen (die SPD sagt: mindestens 250 Euro, die Linke: mindestens 328 Euro; der Höchstbetrag soll laut SPD mindestens 500 Euro betragen, laut der Linken maximal 630 Euro). Die Logik ist einfach: Je niedriger das Familieneinkommen, desto mehr Geld sollen die Familien für die Kinder bekommen.

CDU Kandidat Armin Laschet hat in mehreren Triellen bereits gesagt, dass er gegen diese Kindergrundsicherung ist.

Welche Parteien wollen das Wahlalter auf 16 Jahre senken?

71 Prozent der Jugendlichen stimmen laut Shell-Studie dieser Aussage zu: „Ich glaube nicht, dass sich Politiker darum kümmern, was Leute wie ich denken.“ Das war 2019.

Kinder und Jugendliche müssen endlich viel mehr als bisher an den wichtigen Zukunftsfragen unseres Landes beteiligt werden. Sowohl in der UN-Kinderrechtskonvention als auch in der EU-Grundrechte-Charta steht, dass wir dazu verpflichtet sind, Kinder und Jugendliche an politischen Lösungen zu beteiligen. Machen wir das? Viel mehr schwarz auf weiß geht eigentlich nicht.

Die SPD, Grüne, Linke und die FDP sagen: nein. Sie alle wollen das Wahlalter bei Bundestagswahlen auf 16 Jahre senken.

Zwei Parteien wollen das nicht: die CDU und die AfD.

Als die FDP vor einem Jahr beschloss, die Senkung des Wahlalters in ihr Programm aufzunehmen, wurde Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bei diesem Thema sogar richtig wütend. Er twitterte: „Ihr seid einfach die besten Wahlhelfer für die Grünen, die man sich denken kann!!!“ Altmaiers Befürchtung dürfte klar sein: Die Jungen würden vermehrt Grün wählen. Dürften sie also wählen, schadete das zum Beispiel der CDU. Womit er gar nicht so falsch liegt.

Der Bundesjugendring hat an Schulen jetzt wieder eine U18-Wahl durchführen lassen.

Das Ergebnis: Grüne gewinnen mit 21 Prozent, dahinter die SPD mit 19,2 Prozent, dann die Union mit 16,9 Prozent (das sind 12 Prozentpunkte weniger als noch 2017). Die FDP kommt auf 12 Prozent, die Linke auf 7,5 Prozent. Für die AfD stimmten 5,9 Prozent, für die Tierschutzpartei 5,7 Prozent. 262.000 Schüler:innen haben an der Wahl teilgenommen, das ist Rekord

Es ist kein Zufall, dass junge Menschen häufiger ökologisch, feministisch und links denken, es ist ihr Überlebenswille. Wenn jüngere Menschen mehr politische Macht hätten, sähe dieses Land ganz anders aus.

Ist unser Land insgesamt kinderfeindlich?

Deutsche Haushalte füttern lieber 23 Millionen Hunde, Katzen, Kaninchen, Hamster, Zierfische, Wellensittiche und Leguane durch? Auch. Deutschlands Bürger werden aber immer älter und gleichzeitig sinkt die Geburtenrate. Richtig. Nichts in unserem Staate ist einfach. Auch nicht in unserem  Wohlstandsland mit einer formell aufgeklärten und tendenziell emanzipierten Gesellschaft. Besonders in der Pandemie wurden die Interessen von Kindern und Jugendlichen ignoriert. Im angestrengten Deutschland strengt es an, Eltern zu sein. Neu ist das nicht.

Mit Kindern gut umzugehen, bringt kurzfristig weniger für die Wirtschaft, als eine Fluggesellschaft zu retten. Wer hauptsächlich das Kapital und weniger die Menschen schützen will, für den sind kleine Menschen, die noch keine Profite schaffen, hauptsächlich ein Betreuungsproblem und unfertige spätere Arbeitskräfte.

 

Fazit: KINDER – ein Wechselspiel zwischen Euphorie und Enttäuschung. Sie halten die Emotionen auf Trab und sind eine Herausforderung für Toleranz wie Konsequenz. Bei allem Ärger über das, was in Deutschland vielleicht noch besser laufen könnte für Kinder: Es gibt viel, was sich lohnt zu verteidigen.

 

 

 

Quelle: Tagesschau, Bent Freiwald