Whatsapp-Pädagogik

sie sich über Instrumente (neudeutsch: „APP“) wie „Whatsapp“ aus.
Meine beste Ehefrau von allen, die in mir ihre Herausforderung des Lebens zum Thema Technik sieht, versucht seit geraumer Zeit, mir die Vorzüge von „whatsapp“ aufzuzeigen.
Argumente wie „dann kannst Du mit mir eine whatsapp-Gruppe gründen“ (wieso, wir sind doch verheiratet, wofür brauche ich dann eine Gruppe) wurden von mir genauso ignoriert wie ihr Ansinnen der direkten Übertragung von Nachrichten ohne Zeitverlust. Letzteres habe ich nämlich unter dem Aspekt der ständigen Verfügbarkeit für Aufträge verweigert, aber das muss sie ja nicht wissen. Mein probates „shortmessageservices“-System (für diejenigen, die nicht mehr wissen, was SMS genau bedeutet) hat gegenüber whatsapp nämlich den ungeheuren Vorteil, die Aufträge meiner Gattin teilweise erst Stunden später zu übertragen und damit zu spät für eine Erledigung. Dies über Jahre geübt hat sie sich darin gefügt, ihre Aufträge anderen zu erteilen und ich genieße meine Ruhe. Warum sollte ich also „whatsapp“ installieren?
So fuhren mein Freund und ich in eines der viel zu seltenen Jungs-Wochenenden und wollten die Ski-Opening 2013/2014 genießen, als meine Holde ihn beschwatzte und er einwilligte, „whatsapp“ auf mein smartes Telefon zu installieren. Trotz diverser technischer Schwierigkeiten gelang es ihm, jetzt war ich ausgeliefert.
Nun denn, sie wollte ja unbedingt eine Gruppe – das hat sie jetzt davon. Jede nur erdenkliche Belanglosigkeit whatsappe ich ihr jetzt im Kurztakt, die entnervte Gattin fragt sich schon, warum sie diesen Fehler begangen hat. Hah!
Aber nun ist mir etwas viel Spannenderes aufgefallen, ich habe mich ja schon länger gewundert, warum mehrere Teenager nebeneinander sitzend nicht mehr miteinander sprechen, sondern mit einer leicht spastisch aussehenden Handbewegung die Glasoberfläche ihres intelligenten Telefones (und Kids, das ist wirklich schlauer als ihr, also geht zur Schule und hängt nicht auf der Parkbank rum) wischen. Nämlich, dass meine zweitälteste Tochter auch bei whatsapp ist. Die Älteste zwar auch, aber bei ihr ist das Syndrom „nichts hören, nichts schaffen“ nicht so schlimm ausgeprägt wie in der Pubertät (Entschuldigung, ich meine natürlich „Mama, ich chille nur“).
Also, da Tochter 2 über whatsapp erreichbar ist, mit meiner Telefonnummer aber nichts anfangen kann (das ist eine Zahlenreihe von mehr als fünf Ziffern, viel zu kompliziert) und die Nummer auch nicht in ihr Telefon gespeichert hat, kann ich sie perfekt piesacken.
Ich schicke ihr also eine whatsapp-Nachricht aus dem Jungs-Wochenende mit einem angehängten Foto. Auf diesem Foto ist ein Schneidbrettchen der modernen Art, mit lustigem Text „Shock your parents, read a book!“ und ich schreibe dazu, dass sie ihre Hausaufgaben machen soll und für eine Arbeit in der nächsten Woche lernen.
Kurz danach die erwartete Frage „Wer bist Du?“ – vor meinem geistigen Auge sehe ich sie erschrocken in ihrem Puber-Käfig-Zimmer sitzen und verzweifelt das Display wischen.
Ich antworte siegesbewusst „Dein personifiziertes schlechtes Gewissen zu Deiner verplemperten Lebenszeit, die Du mit schlechten Noten und Faulheit verbracht hast“.
Keine Antwort mehr. Stunden später ein zaghaftes „Wer schreibt da?“, welches ich nicht mehr kommentiere. Am Abend zu Hause erfahre ich von meiner genervten whatsapp-Partnerin und Mutter unserer Kinder, dass unsere Tochter 2 jetzt mehr lernen will. Scheinbar wird sie von einem Geist verfolgt …
Mal sehen, wann unsere Kleinen „Whatsapp“ bekommen. Noch haben sie kein Telefon.