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Ab nach draußen! Plädoyer für mehr Draußen spielen

Es muss nicht immer gleich der Waldkindergarten sein. Für viele Kinder zwischen drei und zwölf  Jahren wäre es dennoch besser, mehr Zeit im Freien zu verbringen. Frei und ohne Vorgaben spielen – etwas, das beispielsweise im Wald ideal funktioniert.

 

Mangel an frischer Luft und freiem Spiel

Wir wissen es ja selber längst, was auch eine unabhängige von Kamik in Auftrag gegebene Studie* wieder beweist: Unsere Kinder verbringen 25 Prozent weniger Zeit damit, draußen zu spielen. Mit Blick auf die an Elektronik immer „reichere“ Gesellschaft und immer jüngerer Nutzer ist es gefühlt noch viel weniger Zeit. Unser Fokus bei der Erziehung liegt heutzutage oftmals auf der Frühförderung intellektueller Fähigkeiten von Sprachen usw. und der Priorität, dass Kinder kognitiv vorankommen.

Demgegenüber gibt es mehr und mehr Kinder, die motorische Probleme haben. Grundschullehrer klagen über Unruhe und Konzentrationsschwächen, Kinderärzte über übergewichtige Kinder aufgrund von Bewegungsmangel, falscher Ernährung und überhöhtem Medienkonsum. Sie berichten  über Kinder, die es beispielsweise nicht schaffen, drei Schritte rückwärts auf einem drei Zentimeter breiten Balken zu gehen. Viele Kinder sitzen heute in geschlossenen Räumen mit Fernsehen, Internet und Computerspielen. Dies betrifft bei weitem nicht nur die Kinder aus sogenannten prekären Verhältnissen.

 

Natur-Defizit-Syndrom

Kaum einer hat sich mit dem Thema „Kinder und Natur“ so auseinander gesetzt wie der Mannheimer Kinderarzt und Wissenschaftler Herbert Renz-Polster. Gemeinsam mit dem renommierten Hirnforscher Gerald Hüther warnt er vor einer “Verhäuslichung“ der Kindheit.

Kinder sind inzwischen viel zu selten draußen. Dies führt nicht nur zu körperlichen Leiden, sondern auch zu psychischen Problemen und Verhaltensstörungen. Kinder wachsen, indem sie sich an selbst gestellten Herausforderungen abarbeiten. Das kann ein Baum sein, der erklettert werden will oder ein Ast, der über einen Bach führt, bei dem sich das Kind ganz eigenständig die Absprungstelle sucht, die es am geeignetsten findet. Vielleicht läuft es auch mit nackten Füßen über den Waldboden und fühlt, wie glatt die Oberfläche eines Steines ist oder wie sich der Waldboden anfühlt?

 

 

Was uns die Natur lehrt

Beim Spiel in der freien Natur lernen wir die Kontrolle von Körper und Gefühlen, den Umgang mit anderen und die Einschätzung von Gefahren. Dieses Spielen ist entscheidend für unsere Entwicklung. Erinnern wir uns doch mal an unsere Kindheit: Im optimalen Fall hatten wir 60er-Jahre-Kinder die Freiheit sowie Zeit und Raum, den ganzen Tag umherzustreifen, Verstecken und Rollenspiele zu spielen, Staudämme und Baumhäuser zu bauen und mit den Freunden durchs Feld zu streifen. Der nahe Bach, das nahe Maisfeld, der Buchenwald mit viel Laub oder die Fabrikruine waren unsere abenteuerliche Kulissen, unser riesiger Spielplatz.

Kinder brauchen diese Erfahrung der selbstbestimmten Erforschung, damit ihr Körper, ihr Geist und ihre Sinne zusammenwachsen können. Sie lernen beim Spiel in der freien Natur Durchhaltevermögen und Teamfähigkeit sowie  Sprachkompetenz, sinnliches Erleben und Kreativität. Sie sind weniger anfällig für Depressionen und andere Krankheiten. Negative Gefühle wie Spannungen, Wut und Depression werden reduziert.

 

Der Kulturwandel

Der verklärte Blick auf die Vergangenheit hat mit der heutigen Realität wenig gemein. Seit den 90er-Jahren spielen Kinder draußen so gut wie nicht mehr alleine. Auf dem Spielplatz, beim Kindergeburtstag – überall sind die Eltern und Erzieher stets dabei. Sie organisieren die Schnitzeljagden und Wettspiele, recherchieren nach alten Draußenspielen, behalten aber immer die Oberhohheit, sind die Regisseure, Spielbestimmer,  Streitschlichter, und Mahner.

Es mag viele Kinder geben, die keine Zeit mehr für Verabredungen und regelrechten Freizeitstress haben, weil ihre in ihr Terminkorsett eingespannten Eltern sie von einem zum anderen Förderangebot chauffieren. Dennoch ist das Leben insgesamt komplexer geworden. Die kindliche Wirklichkeit sieht heute eher so aus: sie wachsen zunehmend in städtischer Umgebung mit Straßenverkehr und zu schnellen Autos auf. Dazu kommen andere meckernde Erwachsene, fehlende oder defekte Spielmöglichkeiten in der Nähe, keine anderen Kinder zum Draußenspielen. Manchen Kindern ist es ohne Begleitung von Erwachsenen nicht mehr erlaubt, draußen zu spielen usw.

 

Was wäre eine Lösung?

Es muss ja nicht der Waldkindergarten sein, aber vielleicht die Pfadfinder??!!!

Mindestens 3 überzeugende Gründe sprechen aus meiner Sicht für eine Kinder- und Jugendorganisation: Kinder schlafen besser, sind ausgeglichener und weniger schnell trotzig, wenn sie draußen gespielt haben. Hinzu kommt eine hohe soziale Komponente aus fehlendem Gruppen- und Sportdruck (Nicht „schneller, höher, weiter“ gelten hier, sondern „jeder kann irgendetwas besonders gut für die Gemeinschaft“)

 

 

*Quelle: Presseportal v. 27.09.18