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„Ella“ oder wenn Matheschwäche und Dyskalkulie einfach wegfliegen

Ella war ein lebenslustiges Mädchen von 6 Jahren. Jeden steckte sie mit ihrer Fröhlichkeit an. Ein echter Sonnenschein. Manchmal besuchte sie mich, weil sie meine Geschichten liebte. Oft fühlte ich mich nach ihrem Besuch wie frisch ausgeschlafen. Das war vor 3 Jahren.
Als Ella mit ihrer Mutter in einen anderen Stadtteil zog, fehlten mir ihre Besuche bald.

Ella und die Zahlen

Dann schrieb sie mir einen ersten Brief. Ella schrieb, dass sie nun schon seit einem Jahr in die Schule ging. Die Schule sei toll, sie hätten schon alle Buchstaben gelernt und sogar ganze Wörter. Sie berichtete von ihrer netten Lehrerin. Alles war super, na ja bis auf die Sache mit den Zahlen. Spätere Briefe klangen trauriger. Mathe lief nicht. Die anderen kamen besser voran. Bei Ella hüpften die Zahlen hin und her. Irgendwie bekam sie sie nicht zu fassen. Als es die ersten Zensuren gab, hagelte es Sechser. Sie schrieb: „Meine Lehrerin sagt, ich müsse mehr üben. Aber ich übe schon viel mehr als die anderen. Die Zahlen wollen einfach nicht in meinen Kopf.“

Ein Jahr später schrieb Ella, dass ihre Mutti mit ihr zu einer Frau gegangen war, die festgestellt hatte, dass sie unter Dyskalkulie leide. Das sei eine schlimme Krankheit, durch die man einfach nicht rechnen kann. Ab da gab ihr die Lehrerin keine Zensuren mehr. Doch es blieb das Gefühl, viel dümmer als alle anderen zu sein. Nein, Schule machte so gar keinen Spaß mehr, erst recht nicht das Rechnen. Ob sie mich nicht einmal besuchen dürfe. Natürlich durfte sie. Ich freute mich auf ihren Besuch.

Zwei Wochen später ging ich mit Ella wie in alten Zeiten spazieren. „Bist du glücklich?“ fragte ich sie.
„Heute ja, denn ich bin bei dir. Aber sonst? Nein.“
„Was würde dich mehr als alles andere glücklich machen?“
Sie legte den Kopf nachdenkend zur Seite. Da leuchteten ihre Augen wieder Augen als sie sagte: „Wenn ich gut rechnen könnte.“

Pia und die Treppe

Ich erzählte Ella von Pia. „Pia ist ungefähr so alt wie du. Eines Tages besuchte ihre Klasse eine Stadt mit einer langen Treppe. Als die Klasse die Treppe erreicht hatte, sagte ihre Lehrerin: „Stellt euch vor, diese Treppe wäre euer Schuljahr. Oben wartet auf euch ein gutes Zeugnis, aber ihr müsst die Treppe hinaufsteigen. Werden alle es bis nach oben schaffen?“

Übermütig stürmten die Kinder die Treppe hinauf.

Pia rannte nicht. Sie hatte auch gar nicht mit geschrien. Ganz still setzte sie sich unten auf die vorletzte Stufe und wartete geduldig, bis alle anderen wieder zurück waren. Pia hatte große Probleme mit dem Rechnen. Noch im Bett dachte sie über die Treppe nach. Im Traum stand Pia wieder vor der Treppe. Pia wusste: „Ich muss da hoch!“ Das Mädchen begann hinaufzusteigen. Riesige Stufen waren das. Pia schaute nach oben. Oh je, war das hoch. Pia kletterte weiter. Als sie schon einige Stufen geschafft hatte, war da ihre Lehrerin. Die sah, wie aussichtslos das Klettern des Mädchens war und setzte sich neben sie. „Nicht schlimm, Pia. Quäl dich nicht und geh wieder hinab.“

Pia lernt fliegen

Doch Pia wollte unbedingt. Ihre Mutti half und schob ein wenig. Immer wieder musste Pia stehenbleiben, um sich auszuruhen. Mit der Zeit schwanden die Kräfte.  Pia hatte noch nicht einmal die halbe Treppe geschafft. Bald war sie so erschöpft, dass sie kraftlos zu Boden sank und bitterlich weinte.

Ein riesiger Adler landete neben ihr. Er fragte, was sie so traurig machen würde.
„Ich muss da hoch, doch ich schaffe es nicht.“
„Warum?“, fragte der Adler.
„Ich möchte rechnen können.“ schluchzte Pia.
„Komm, flieg mit mir ein Stück.“
Kaum hatte sie auf dem Adler Platz genommen, erhob er sich in die Lüfte. Schnell hatten beide an Höhe gewonnen.
„Gefällt‘s dir?“, fragte der Adler.
„Es ist herrlich“.
„Siehst du die Zahlen da unten?“
„Zahlen?“ Pia schaute nach unten. Da waren keine Zahlen.

Doch der Adler sagte: „Schau hin: Sieh dieser Baum hat einen einzigen Baumstamm. Unsere Eins. Der Junge hat 2 Beine, unsere Zwei und sein Bruder fährt auf einem Dreirad. Tatsächlich: Je länger sie schaute, desto mehr Zahlen tauchten auf. „Ab jetzt verwandeln wir alle Zahlen in Bilder.“ Bilder? Pia liebte Bilder.
Bald  setzte der Adler das Mädchen wieder ab. „Morgen komm ich wieder.“

In den nächsten Tagen wurde fliegend geübt, gar gerechnet. Bald sagte der Adler: „Bisher bist du mitgeflogen, nun fliege selbst.“
Selbst fliegen? Pia vertraute. Mutig breitete beide Ärmchen aus. Und siehe da- sie flog. Alleine.
Als sie abends gemeinsam zur Treppe zurückflogen, landeten beide auf der obersten Stufe. Der Adler lächelte. Nickend sagte er: „Jetzt kannst du genauso gut rechnen wie deine Klassenkameraden.“  Dann zwinkerte er dem Mädchen zu und erhob sich in die Lüfte.

Ella und ich spazierten wortlos nebenher. Plötzlich blieb Ella stehen.
„Seltsam, ich weiß gar nicht, was dein Beruf ist.“
Lächelnd antwortete ich: „Ich? Ich zeige Menschen, wie man fliegen lernt.“

 

jens-voigt

Zum Autor

Jens Voigt ist vieles – erfahrene Lehrer und Unternehmer, Autor, Speaker, Entwickler mit Leidenschaft. In seiner Akademie für Lernmethoden entwickelt er Lernmethoden, Lernsysteme und Lernspiele. Auf diese Art fanden bereits 2500 Produkte zum besseren Lernen den Weg in den Onlineshop www.mindmaps-shop.de.

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