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Patchwork-Familie oder das moderne Chaos

Seitdem ich ein kleines Kind war, träume ich von einer großen Familie. Mein Traumpartner, Haus, Hund und mehrere Kinder. Mittlerweile habe ich mein Ziel erreicht. Ich habe fünf Kinder im Haus. Jeden Tag halten mich die vier Patchwork-Kinder im Alter von 14 und 11 Jahren sowie die 8-jährigen Zwillingen auf Trab. Dazu kommt meine eigene Tochter, deren vierten Geburtstag wir vor wenigen Wochen gefeiert haben. Immer öfters denke ich zurück, ob mein Traum wirklich durchdacht war? Es vergeht kaum ein Tag ohne Stress und Streit – richtig glücklich war ich schon lange nicht mehr.

Denn ich bin gefangen in einem Leben zwischen meinem neuen Partner, den Kindern, sondern auch mit der/dem Ex, der Verwandtschaft und Freunden, die mir gegenüber skeptisch sind und mir selbst. Das Leben als Patchworkfamilie begann zunächst gut, doch dann nahmen die Probleme überhand. Nun stelle ich mir die Frage, ob das Leben mit Stiefvater, Stiefmutter, Kindern mit unterschiedlichen Eltern und mir dazwischen überhaupt gelingen kann?

Patchwork im 21. Jahrhundert

Das 21. Jahrhundert brachte uns eine Vielzahl neuer Lebensentwürfe. Eins davon ist die sogenannte Patchworkfamilie. Mittlerweile ist rund jede zehnte Familie bunt zusammengewürfelt. Trennungen und Scheidungen kommen immer häufiger. Da klingt es doch nur schön, wieder einen neuen Partner fürs Leben zu finden. Zunächst denkt man, das Glück des Lebens kehrt zurück. Patchworkfamilien stehen für eine bunte und lebendige Vielfalt. Doch auf der anderen Seite bedeuten diese harte Arbeit, damit das moderne Chaos überhaupt gelingen kann. Was wir über Patchwork wissen? Es ist nicht einfach. Aber es ist ja in keiner Familie einfach!

Schritt für Schritt zum neuen Familien-Modell

Letztendlich weiß niemand, welcher Ratschlag zum Erfolg führt. Rückblickend weiß ich selbst nicht, wie wir aus einer chaotischen Patchworkfamilie, die nicht funktioniert, zu einer immer noch chaotischen, aber funktionierenden Familie geworden sind. Doch auf die folgenden Dinge kannst du setzen, um das Zusammenwachsen zweier Familien zu erleichtern.

Patchworkfamilien brauchen Zeit

Eins ist sicher – die Patchworkfamilien brauchen viel Zeit, um eine funktionierende und lebendige Familie zu werden. Zu groß ist die Umstellung vom Status quo auf die neuen Familienmitglieder. Jede Patchworkfamilie ist anderes. Anders in ihrer Entstehungsgeschichte, anders in der Zusammensetzung und anders in ihrem Familienleben.

Alle haben ein schwieriges Beziehungsmanagement zu leisten: den Kindern gegenüber loyal sein, die Partnerschaft vertiefen, die Rolle des neuen Elternteils festigen, aber gleichzeitig den abwesenden Elternteil in seiner Bedeutung erhalten. Das birgt Konfliktpotenzial.

Jedes Familienmitglied muss erst seinen Platz finden und zusammenwachsen. Schließlich bekommt man von heute auf Morgen neue Geschwister. Das familiäre Haus wird künftig mit Fremden geteilt Der Große ist nicht mehr der Große, das Nesthäkchen ist auf einmal ein mittleres Kind, der Junge ist nicht mehr der einzige Prinz und außerdem sollen sich die Bonuskinder ein Zimmer teilen… Das kann für ziemlichen Zündstoff sorgen! Und wenn ein neues Geschwisterchen geboren wird, kommt nochmal alles durcheinander.

Gib‘ Deinem Nachwuchs die Zeit, die er braucht, um sich kennenzulernen. Denn ohne vertrauensvolle Basis ist ein liebevolles Miteinander in Zukunft kaum vorstellbar. Zugleich sollten die Kinder ausreichend Freiraum bekommen, um die Trauer zu bewältigen, dass die leiblichen Eltern nicht mehr zusammenleben.

Jedes Kind reagiert anders

Das Alter der Kinder entscheidet über das richtige Vorgehen. Bei Säuglingen und Kleinkindern bis 3 Jahre ist vor allem die Hauptbezugsperson wichtig. Bleibt das Kind bei diesem Elternteil nach der Trennung, kann es diese leichter verkraften.

Kinder im Kindergarten- und Vorschulalter dagegen benötigen eine längere Trauerzeit, dass sie oft glauben, selbst an der Trennung der Eltern schuld zu sein. Diese Schuldgefühle werden nicht selten in einer Patchworkfamilie auf den neuen Partner übertragen. Wut, Eifersucht und Zorn auf die Stieffamilie ist die häufige Reaktion.

Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren haben es am schwersten, mit der neuen Situation klarzukommen und die neuen Partner des Elternteils zu akzeptieren. Sie leiden meist unter schweren Loyalitätskonflikten. Sie können/dürfen den „neuen“ Vater oder die „neue“ Mutter gar nicht gernhaben, denn das würde bedeuten, den leiblichen Vater oder die leibliche Mutter zu verraten. Deswegen brauchen Kinder ab dem Schulalter erst einmal Abstand.

Wer erzieht wen in der Patchworkfamilie?

Den Erzieher zu markieren und mal kräftig die Muskeln spielen zu lassen, das geht mit Sicherheit schief. Jeder hat einen eigenen Stil bei der Erziehung seiner Kinder. Kommt ein neuer Partner in die Familie, müssen die Kompetenzen zwischen den Erwachsenen gut aufgeteilt werden. Als neuer Partner solltest du den Kindern niemals das Gefühl geben, die richtige Mama oder Papa ersetzen zu wollen. Vielmehr gibt es für die Kinder des Partners einen Papa oder eine Mama obendrauf – sozusagen ein Bonus-Elternteil. Und umgekehrt sind es für dich Bonuskinder. Dieser optimistischere Terminus bedeutet nicht, dass diese besondere Rolle in der Familie stets idyllisch ist, deutet aber zumindest eine konstruktive Richtung des Familiengefüges an. Im allerbesten Fall wirst du zu einem echten Erwachsenen-Freund für die Kinder deines Partners.

Die Rolle des neuen Partners, der neuen Partnerin ist zunächst einmal die eines Gastes. In dieser Rolle sind vor allem Freundlichkeit, Höflichkeit und Interesse gefragt, bevor man die Möglichkeit bekommt, Teil der Familie zu werden. Das kann Jahre dauern, bis das möglich ist.

Sprechen Sie bevor Sie zusammenziehen ausführlich darüber, welche Gewohnheiten die Kinder haben und wie Sie darauf reagieren. Welche Verhaltensweisen Ihnen und Ihrem Partner auf die Nerven gehen. Jeder darf seine eigenen Grenzen deutlich machen und einen fairen Umgang fordern.

Gemeinsame Regeln als Basis

Versuchen Sie sich auf gemeinsame Regeln zu einigen, wie zum Beispiel Ordnung, Mithilfe im Haushalt, Pünktlichkeit und so weiter. Feste Regeln für das familiäre Zusammenleben, die gemeinsam mit den Kindern erarbeitet werden, stellen sicher, dass Ihnen die Kinder nicht auf der Nase herumtanzen. Je mehr Familienmitglieder einbezogen werden, desto höher stehen die Chancen auf eine harmonische Familienbeziehung. Wenn sich jemand benachteiligt fühlt, sind Konflikte vorprogrammiert.

Hierbei helfen von Anfang an sogenannte Familienkonferenzen, bei denen jeder reihum sagen kann – ohne dass die anderen dies bewerten – was ihm auf dem Herzen liegt.

Das Fazit: Familie ist bekanntlich nichts für Feiglinge…

Leider gibt es kein Patentrezept oder die perfekte Lösung mit DEN 10 Tipps für das Leben als Patchworkfamilie. Dafür sind die Menschen zu individuell. Wichtig ist es, nicht nur Liebe und Verantwortungsgefühl in Ihre neue Familie mit einzubringen – sondern für diese Reise Ihren Verstand, den Willen zu persönlicher Entwicklung und Ihre Konfliktfähigkeit mit in den Koffer zu packen. Respekt, Liebe und Zeit – dieses Trias legt den Grundstein für ein harmonisches Ganzes.