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Vor den Ferien ist nach den Ferien – Fenster, Filter, Mutationen

Es war (fast) wie immer kurz vor den Ferien. Der Wandertag wurde in der letzten Schulwoche absolviert. Besuche im Palmengarten oder Events wie Wakeboarden bzw. Wasserskifahren standen auf dem Programm. Andere schauten Filme oder gingen Eis essen. Endlich Ferien!

Die Corona-Monate haben bei Erwachsenen und Kindern ihre Spuren hinterlassen. Jeder hat das Gefühl, die Ferien gerade ganz besonders nötig zu haben. Trotz der Sehnsucht nach Erholung will sich ein Gefühl der Entspannung jedoch nicht richtig einstellen. Zu groß ist die Ungewissheit darüber, was kommt nach den Ferien? Wie geht es mit dem Delta-Virus bei den noch ungeimpften Kindern weiter?

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verkündete vor kurzem ‚Kinder und Jugendliche haben es verdient, dass es die oberste Priorität ist, dass Schulen nach den Ferien so normal wie möglich starten können. Unsere Bildungsministerin Karliczek hingegen schließt Schulschließungen nicht aus. Die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock fordert: ‚Es muss eine Luftfilteranlage für jeden Klassenraum in diesem Land zur Verfügung gestellt werden.‘ Nirgends eine gemeinsame Linie.

Erstmal Urlaub, und dann mal sehen

Während der Pandemie hatte man manches Mal den Eindruck, dass die Hygienekonzepte für Schulen immer am jeweils letzten Ferientag ausgearbeitet wurden und die Verantwortlichen vom „plötzlichen“ Schulbeginn jäh überrascht wurden. Auch nach zwei verunglückten Homeschooling-Phasen fragen wir uns: Folgt jetzt ein Déjà-vu? Werden die gleichen Fehler gemacht wie im vergangenen Jahr?

Wie schwerfällig die Politik agiert, zeigt das Thema Raumluftfilter. Sie sollen nun den Start in den Regelunterricht absichern – bislang allerdings mit mäßigem Erfolg. Die Geräte sind in Rektorenzimmer und Kultusministerien fast so beliebt wie das Coronavirus selbst.

In der Debatte um den Einsatz der Geräte in Schulen hatten Länder und Kommunen mit Verweis auf das Bundesumweltamt lange Zeit das alleinige Lüften in Klassenzimmern für ausreichend gehalten und eine flächendeckende Anschaffung weder für zielführend noch notwendig erachtet. Doch immer mehr Studien haben gezeigt, dass eine Kombination aus Fensteröffnen während der Pausen und dem Einsatz hochwertiger Raumluftfilter den bestmöglichen Schutz vor der Ansteckung über Aerosole bietet.

Wie sieht es nach den Ferien in der Schule aus?

Im Zentrum der Debatte um Schutzmaßnahmen an Schulen stehen neben aktualisierten Hygieneplänen, überarbeitete Leitfaden zur Schul- und Unterrichtsorganisation, Tests und Impfangeboten nun auch die Beschaffung von Luftfiltern. Das Umweltbundesamt hat seine Bewertung zu mobilen Luftfiltergeräten in Schulen mittlerweile geändert und hält hochwertige und professionell installierte Geräte für sinnvoll. Angesichts sich verbreitender Corona-Mutationen, steigender Fallzahlen und dem Gespenst der Schulschließung vor Augen fördert die Bundesregierung nun mit 200 Millionen Euro den Einbau von mobilen Luftfiltern in Schulen bzw. bis zu 50 Prozent der entstehenden Kosten. Die andere Hälfte müssen die Länder oder Kommunen tragen.

Seit Mitte Juni können Schulen und Kitas Fördermittel für den Einbau von festen Luftfilteranlagen beantragen. Die Förderung ist begrenzt auf Räume und Einrichtungen für Kinder bis zwölf Jahren, da für diese Altersgruppe bisher kein Impfstoff gegen Corona zugelassen ist. Es gibt maximal 500.000 Euro je Standort.

Außerdem gibt es nur dann Geld, wenn nicht bereits Fördergelder von anderen Stellen, wie dem Land oder der EU fließen. Das Programm ist bis Ende des Jahres 2021 befristet.

Föderaler Flickenteppich

Eine Reuters-Umfrage unter den Bundesländern zeigt, dass die Landesregierungen wie immer einen föderalen Flickenteppich produzieren. Von einer einheitlichen Strategie, die von den Kultusministerkonferenzen mehrfach beschworen wurde, ist wenig zu sehen. Der Städte- und Gemeindebund weist sicherheitshalber schon einmal die Verantwortung der Kommunen für einen verschleppten Einbau von Filtergeräten in Klassenzimmern zurück und verweist auf die fehlende Bestandsaufnahme der Kultusminister und eine klare Erwartungshaltung der Landesregierungen. Städte und Landkreise rufen das Geld dafür oft nicht ab, weil sie die Zusatzkosten- sowie die Arbeit scheuen oder immer noch am Nutzen zweifeln.

Der Run auf Luftfiltergeräte

Wie sich die einzelnen Länder auch entscheiden, die Filter-Hersteller erwarten einen Run auf die Geräte in den nächsten Monaten. Die Materialknappheit macht die schnelle Ausrüstung der Schulen aber utopisch. Bei den Herstellern stapeln sich aktuell schon die Bestellungen, und es ist fraglich, ob interessierte Schulen ein solches Gerät überhaupt noch pünktlich zum Start geliefert bekommen. Denn auch Veranstalter, Gastronomie und Fitnesscenter setzen auf Raumluftreiniger. Jetzt könnte das Rennen um die Geräte zum Wahlkampfthema werden. Nur in zwei Bundesländern, Bayern und Berlin, wurde damit bislang tatsächlich eine nennenswerte Anzahl von Schulen ausgestattet.

Corona-Aufholprogramm in den Ferien

Ähnlich schleppend geht es mit dem vom Bund im Mai vorgestellten Aufholprogramm für Schüler voran.

Derweil bemühen sich die Länder im Rahmen des landesweiten Corona-Aufholprogramms wie „Löwenstark – der BildungsKICK“ in Hessen, die Kinder für die Zeit der hessischen Sommerferien zu unterstützen. In Hessen erhalten alle rund 760.000 Schülerinnen und Schüler im Land einen Online-Zugang für eine digitale Lernplattform ‚Sofatutor‘. Diese verfügt über ein umfassendes Angebot an Lernvideos, interaktiven Übungen und Arbeitsblättern in 13 Fächern für alle Klassenstufen.“. Alle fachlich und didaktisch geprüften Inhalte orientieren sich an den Lehrplänen der Länder. Zusätzlich können die Schülerinnen und Schüler über die Plattform Lern-Unterstützung durch geschulte Lehrkräfte erhalten. Das digitale Angebot ist als Ergänzung der Ferien-Lerncamps in den Schulen gedacht.

Wie groß die Lernrückstände aufgrund der Corona-Pandemie tatsächlich sind, weiß man erst, wenn Lernstandserhebungen stattfinden. Die sind aber in vielen Bundesländern erst im kommenden Schuljahr geplant.

Bildung öffnet Welten

Die Nationale Akademie der Wissenschaften ‚Leopoldina‘ sieht im Präsenzbetrieb „die effektivste Art des Lernens“. Denn effektives Lernen ist immer auch soziales Lernen. Die Öffnungen sollten von ‚geeigneten Schutzmaßnahmen‘ begleitet werden. Darüber hinaus sprachen sich die Wissenschaftler dafür aus, den digitalen Ausbau an den Bildungseinrichtungen zu beschleunigen.

Sinnvolle Fördermodelle- und Programme, engagiertes Personal und mindestens ausreichende Ausstattung sollte also das Gerüst bilden für alles, was nach der Pandemie kommt. Die langen Schulschließungen in der Vergangenheit haben nicht nur Lernzeitverluste und Leistungsrückstände gerade bei den jüngeren Schülern, sondern auch eine alarmierende Zunahme psychosomatischer Beschwerden in allen Altersgruppen zur Folge gehabt.

Verlässlicher Schulbetrieb nach den Sommerferien?

Die Kultusministerkonferenz hat Mitte Juni verabschiedet, dass alle Schulen nach den Sommerferien ‚dauerhaft im Regelbetrieb (…) mit allen Schulfächern und Unterrichtsstunden‘ besucht werden sollen. Regelbetrieb bedeute, dass Unterricht in der Schule ohne weitere Einschränkungen erteilt und das schulische Leben wieder ermöglicht werde, heißt es in dem Beschluss. Auch außerschulische Angebote wie Schulfahrten, Ausflügen und Schulaktivitäten würden wieder in ‚vollem Umfang‘ ermöglicht. Alle planen zunächst mit weitgehendem Normalbetrieb. Zusagen, dass die Schulen dieses Mal dauerhaft geöffnet bleiben, kommen jedoch aus keinem Bundesland.

Es werden weiterhin nicht genug gute Vertretungskräfte für den Lehrermangel parat stehen, noch alle Overhead-Projektoren aus den 80-zigern gegen Beamer eingetauscht worden sein oder über das hessische Schulportal Videokonferenzen laufen können. Digitale Schmalspurprogramme werden an vielen Schulen wieder in eine neue Runde starten.

Eines ist sicher: die Schüler werden nach den Ferien für wenigstens zwei Wochen wieder Maske tragen als Sicherheitsmaßnahme wegen möglicher Ansteckungsgefahren durch Reiserückkehrer und zum Teil dreimal statt zweimal pro Woche getestet. Von übergreifenden Schutzregeln an Schulen ist hingegen keine Rede.

 

Fazit: Auf einen normalen Start ins nächste Schuljahr deutet derzeit wenig hin. Bisher fehlt ein überzeugendes Hygienekonzept, intelligente Lernprogramme oder verbindliche Konzepte für Mindeststandards beim Distanzunterricht. Der Staat muss die Schulen offenhalten – das sollte eines der wichtigsten Ziele in der Pandemie sein. Jede neue Einschränkung des Präsenzbetriebs wirft den Aufholprozess der Schülerinnen und Schüler wieder zurück.