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Richtungswechsel beim Social Media Konsum für Kinder?

Forscher fordern strengere Regeln für Social Media

Nervosität, Schlafprobleme, Suchtgefahr – Social-Media-Plattformen können die Psyche junger Menschen belasten. Zwar ist der direkte Beweis für Ursache und Wirkung noch nicht erbracht, doch Wissenschaftler warnen vor möglichen irreversiblen Schäden und fordern schnelles Handeln nach dem Vorsorgeprinzip. Das würde bedeuten, dass Plattformen wie TikTok, Instagram oder Telegram Altersgrenzen konsequent durchsetzen, personalisierte Werbung für Minderjährige stoppen und Funktionen einschränken, die suchtähnliches Verhalten fördern. Die Autoren betonen, dass soziale Medien auch positive Effekte haben können, etwa für politische Teilhabe oder die Vernetzung marginalisierter Gruppen. Deshalb setzen sie auf eine Doppelstrategie: Risiken minimieren, Chancen erhalten.

Jugend ohne Likes und Follower

Während in Deutschland noch über Altersgrenzen für soziale Medien gestritten wird, macht Australien Nägel mit Köpfen: Ab 10. Dezember dürfen Jugendliche unter 16 Jahren keine Social-Media-Konten mehr haben – auch Plattformen wie YouTube sind betroffen. Verstöße durch Anbieter wie TikTok können mit Strafen von bis zu 28 Millionen Euro geahndet werden.

Vorreiter ist die renommierte Hale School in Perth. Dort sind Smartphones bereits für Schüler bis zur 7. Klasse verboten – auch außerhalb des Schulgeländes, freiwillig unterstützt von den Eltern. Stattdessen nutzen die Schüler „Dumbphones“, einfache Tastenhandys ohne Internetzugang. Ziel ist es, Kinder vor den negativen Folgen von Social Media wie Mobbing, ungeeigneten Inhalten und Abhängigkeit zu schützen und ihre zwischenmenschliche Kommunikation zu fördern.

Die Maßnahme findet bei den Eltern breite Zustimmung: 93 % befürworten eine Ausweitung des Verbots auf höhere Klassen. Der Schulleiter bezeichnet es nicht als Einschränkung, sondern als „Aufschub“: Die digitale Welt laufe nicht weg, aber Kindheit brauche Zeit ohne ständige Online-Präsenz.

Trotz hoher Zustimmung in Australien und Deutschland gibt es auch Skepsis, ob sich solche Verbote technisch lückenlos durchsetzen lassen. Doch in Perth zeigt sich: Mit klaren Regeln und Unterstützung der Eltern kann es gelingen, Kindern ein weitgehend bildschirmfreies Aufwachsen zu ermöglichen.

Schutzmaßnahmen für Kinder und Jugendliche

Die Forscher der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina haben zentrale Empfehlungen an die Politik: Sie schlagen ein Mindestalter von 13 Jahren vor. Bis 15 Jahren soll eine Nutzung nur mit elterlicher Zustimmung möglich sein. Für unter 16-Jährige empfehlen sie Einschränkungen wie kein Livestreaming, keine Pushnachrichten, keine endlosen Feeds und nur altersgerechte Inhalte. Zudem fordern sie ein Smartphone-Verbot an Schulen bis zur 10. Klasse, mehr digitale Bildung, Aufklärungskampagnen und eine bessere Altersverifikation – etwa über das geplante EU-Digital-Identitätswallet. Ziel ist, Risiken zu senken, ohne die positiven Seiten digitaler Teilhabe zu verlieren.

❌ Social-Media-Verbot für Kinder unter 13 Jahren

👨‍👩‍👧 Nutzung durch 13- bis 15-Jährige nur mit gesetzlich geregelter elterlicher Zustimmung

🔁 Altersabhängige Einschränkung suchterzeugender Funktionen (z. B. Endlos-Scrollen)

📇 Einführung der EUDI-Wallet als datenschutzkonformer Altersnachweis

📵 Smartphone Verbot an Schulen bis einschließlich Klasse 10

🧠 Digitaler Bildungskanon in Kitas und Schulen

 👉 Das Diskussionspapier „Soziale Medien und die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen“ ist 𝗵𝗶𝗲𝗿 verfügbar: 

Mutprobe für die Politik: Kinder schützen, Konzernen trotzen

Fast alle Schulen (ca. 94 %) haben eigene Regeln: In Hessen und einigen anderen Bundesländern gilt ab dem Schuljahr 2025/26: Grundsätzliches Handy- und Smartwatch-Verbot auf dem Schulgelände. Lehrkräfte dürfen Ausnahmen machen, z. B. für den Unterricht. Für die Bundesregierung ist dies ein seltener Moment, um den Schutz junger Menschen im Netz entscheidend voranzubringen – mit dem Rückhalt der Wissenschaft und einem klaren Fahrplan. Doch der Gegenwind wird heftig sein: Die großen Plattformen leben davon, Nutzerprofile zu sammeln, Aufmerksamkeit zu fesseln und diese in Werbegeld zu verwandeln. Wer an diesem Fundament der „Aufmerksamkeitsökonomie“ rüttelt, greift ins Herz ihres Geschäftsmodells. Dass die Tech-Eliten enge Drähte bis ins Weiße Haus pflegen, macht die Auseinandersetzung nicht leichter. Aber wer jetzt zurückweicht, signalisiert: Die Interessen der Konzerne wiegen schwerer als das Wohl einer ganzen Generation.