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Sind die Stundenpläne an deutschen Schulen noch zeitgemäß?

Montag, 8:00 Uhr, der Unterricht am Gymnasium beginnt. Die erste Stunde in der Klasse 6a ist für den Deutschunterricht reserviert. Die Kinder lesen Kurzgeschichten und diskutieren anschließend die typischen Gattungsmerkmale. Weiter geht es mit Englisch. Frau B. fragt Vokabeln ab. Nach der großen Pause steht Mathe auf dem Stundenplan. Schulleiter D. selbst übernimmt den Unterricht. Was die Kinder zuvor in Deutsch und Englisch gelernt haben, weiß er zwar, für den Mathe-Unterricht sind die Inhalte der andere Fächer aber wenig interessant. In den Lehrplänen wird schließlich jedes Fach für sich gesehen, bewusste Verknüpfungen der Unterrichtsinhalte gibt es nur selten.

Es ist Unterricht der ganz klassischen Art, der an diesem Beispiel-Gymnasium gepflegt wird. Doch sind Stundenpläne nach dem althergebrachten Schema noch zeitgemäß? Die große Mehrheit der Schulleiter sagt ganz klar „nein“. In einer vom Verlag Cornelsen in Auftrag gegebenen Studie prangern sie mehrere Großbaustellen an deutschen Schulen an.

Schulleitungs-Studie 2022: Weg mit den alten Strukturen!

Nieder mit den alten Strukturen, her mit neuen Ideen: Der Großteil der Schulleiterinnen und Schulleiter in Deutschland stellt sich als Reformer heraus. Das mag so manchen Schüler und vielleicht auch einige Eltern überraschen. Doch die Mehrheit von ihnen ist sich einig, dass Deutschland eine „neue Kultur des Lernens“ benötigt. Das zeigt die „Schulleitungs-Studie 2022„.

1.100 Schulleitungen hat das FiBS Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie aus Berlin im Auftrag von Cornelsen befragt und zusätzlich 50 vertiefende Telefonate geführt. Das Ergebnis: Die Rektoren sprechen sich für eine Überarbeitung von Stundenplänen aus, für mehr Ganztagsschulen und eine Neuaufstellung der Kollegien. Ein Thema liegt dabei so gut wie allen Schulleitungen am Herzen: 97 Prozent der Befragten sagen, dass Schulen mehr Chancengleichheit für Schülerinnen und Schüler ermöglichen müssen.

Fächerkanon umkrempeln und stärker vernetzen

Den altbekannten Fächerkanon halten 82 Prozent der Befragten für nicht mehr zeitgemäß. Doch wie sieht der Unterricht fürs 21. Jahrhundert aus? Knapp die Hälfte der Schulleitungen wünscht sich eine stärkere Vernetzung der Unterrichtsinhalte. Rund ein Viertel könnte sich sogar vorstellen, die einzelnen Schulfächer durch fächerübergreifenden Unterricht zu ersetzen.

Der tradierte Unterricht in einzelnen Fächern erlaubt es kaum, auf die Interessen und individuellen Fähigkeiten der einzelnen Schülerinnen und Schüler einzugehen. 93 Prozent der Schulleitungen möchte im Unterricht zudem mehr Lebenskompetenz vermitteln. Deutsche Grammatik und die Grundrechenarten sind ohne Frage wichtig, aufs Erwachsensein und die tatsächlichen Herausforderungen der Arbeitswelt bereiten die klassischen Schulfächer die Kinder jedoch kaum vor. Auch „Digitale Bildung und Mündigkeit“ sollten in der Schule stärker im Vordergrund stehen. Das sagen 92 Prozent der Befragten. 90 Prozent möchten den Stundenplan um ein Fach wie „Gesundheit und Ernährung“ ergänzen, 88 Prozent finden, dass „Demokratie“ im Unterricht stärker im Vordergrund stehen sollte.

Chancengleichheit durch mehr Ganztagsschulen und digitale Angebote

Wie kann Schule mehr zur Chancengleichheit beitragen? 92 Prozent der Schulleitungen setzen auf individuelle Förderangebote. 89 Prozent halten auch die sogenannte gebundene Ganztagsschule für vielversprechend, 82 sehen in ihnen einen wichtigen Beitrag für mehr Chancengleichheit. In diesem Modell bleiben die Schülerinnen und Schüler an mindestens drei Wochentagen bis zum Nachmittag gemeinsam in der Schule. Der Unterricht wechselt mit Spiel- und Erholungsphasen ab.

Große Hoffnungen setzt die Mehrheit der Befragten auch in Apps und weitere digitale Programme. 87 Prozent glauben, dass digitale Hilfsmittel zum individualisierten Lernen beitragen. 78 Prozent sind überzeugt, dass sich mit digitalen Methoden das Schulmanagement vereinfachen lässt.

Mehr Zeit für Strategie- und Unterrichtsplanung gewünscht

Schließlich steht noch die Neuaufstellung der Kollegien auf dem Wunschzettel der Rektoren. 80 Prozent der Befragten sehen die Hauptaufgabe der Schulleitung in der Strategie- und Unterrichtsentwicklung. Dafür bleibt im Alltag jedoch kaum Zeit. Maximal drei Stunden hat die Hälfte der Befragten für die Unterrichtsentwicklung zur Verfügung. Den größten Teil der Arbeitszeit nehmen administrative Aufgaben in Anspruch. Das ist vermutlich ein Grund dafür, warum fast drei Viertel aller Schulleitungen unzufrieden aufs Jahr 2021 zurückblicken.

Doch trotz aller Herausforderungen: Mehr als die Hälfte der Befragten schaut optimistisch in die Zukunft.