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Was wir jetzt aus der Corona-Krise lernen können

Seit zwei Wochen schon gehen Kinder und Jugendliche nicht mehr zur Schule, sondern die Schule kommt zu ihnen. Eine große Herausforderung für viele Familien.

Existenzängste, Angst vor dem Virus und das Zusammenleben auf ungewohnt engem Raum müssen bewältigt werden. Freunde fehlen, Geschwister nerven. Lagerkoller lässt grüßen.

Sie müssen zurzeit einen großen Spagat leisten, um einen noch halbwegs geordneten Alltag zu organisieren. Viele von ihnen sind voll berufstätig und sitzen seit Tagen im Homeoffice. Sie managen von dort aus den Shutdown und versuchen zwischen der Skype-for-Business-Konferenz und dem Mathe-Lehrfilm ihre Kinder bei der Stange zu halten. Gleichzeitig übernehmen Sie nebenbei das Sekretariat für ihre Kinder, leiten E-Mails weiter, drucken aus – und das am laufenden Band. Zur selben Zeit untersuchen Sie Texte, analysieren Gedichte mit dem Nachwuchs, nehmen Podcasts in Englisch auf oder schneiden am PC und basteln Collagen.

Weder Kinder noch Eltern waren darauf vorbereitet. Kinder sollen plötzlich selbständig sich den Unterrichtsstoff aneignen und Eltern müssen sich wieder in Fächer einarbeiten und eindenken. Nicht alle Eltern und Kinder können diese Herausforderung gleichermaßen gut leisten – entweder aus sprachlichen oder sozialen Gründen oder beides.

Die Schulen versuchen, die unterrichtsfreie Zeit so gut wie möglich zu überbrücken.

 

Homeschooling und digitale Entwicklung

Die Lehrkräfte nutzen alle möglichen Postfächer und Plattformen, um den Lehrstoff zu verteilen und sich ihren Schülern mitzuteilen. An vielen Schulen gibt es (auch dank DSGVO) nicht einmal einen Mail-Verteiler, so dass die Kommunikation mehr schlecht als recht über die Elternbeiräte laufen muss. Die Kritik seitens der Eltern nimmt zu, da die Aufgabenflut der diversen Fächer immens ist.

Es gibt viele engagierte Lehrer, die den Stoff so aufbereiten, dass die Kinder ihn selbständig erarbeiten können. Andere Lehrer feuern E-Mails aus allen Rohren und drohen schon damit, dass die zu Hause zu erledigenden Aufgaben benotet werden und setzen damit alle noch mehr unter Druck.

Einige Schulen sind in Sachen Lernen mit Hilfe von digitalen Medien schon weit fortgeschritten und gut aufgestellt. Die allermeisten Schulen jedoch befinden sich bei der digitalen Entwicklung in einem schlechten Zustand – speziell die Grundschulen.

Für viele Schulen kam der Digitalpakt 2019 um fünf Jahre zu spät. Ende Januar 2020 waren von den fünf Milliarden bewilligten Euro für den Digitalpakt nur 20 Millionen abgerufen worden bzw. es mangelte an Zeit, um in die technische Ausstattung wie iPads usw. zu investieren und die Aus- und Fortbildung der Lehrerschaft voranzutreiben.

Über die Hälfte der Schulen verfügen nicht über einen Breitbandanschluss oder W-Lan in den Klassenräumen. Weder die Technik, noch die Prozesse sind vorhanden oder eingespielt, wie man sicher kommunizieren und agieren kann. Es fehlt an sicheren Kommunikationsräumen, didaktisch gut aufbereitetem Material und Lehrern, die digital versiert seien. Die Verwendung sozialer Medien im schulischen Kontext ist Ländersache und wird von jedem Bundesland anders geregelt.

Oft sind es private Schulen, die hier gut aufgestellt sind. Sie arbeiten in dieser Krisenzeit über schuleigene Server wie IServ mit denen sie Unterricht im digitalen Lernraum anbieten oder mit Microsoft-Office-Programmen, wie die Konferenzschaltung Teams, in denen sich die Schüler in Chaträumen treffen, ihre Aufgaben bekommen und vom Lehrer beaufsichtigt werden können.

Auch die Schüler selbst haben oft nur ein Smartphone, keinen Drucker, kein Tablet oder Computer zu Hause.

Es wird wohl noch ein Wunschdenken bleiben, dass die Lehrerin/der Lehrer sich morgens um 8.30 Uhr am Rechner einloggt und das virtuelle Klassenzimmer „aufschließt“.“

 

Bildung muss nicht ausfallen

Einige Schulbuchverlage und Nachhilfeportale bieten derzeit kostenfreie Angebote zur Unterstützung von Eltern und Schülerinnen und Schüler an. Diese kostenfreien Angebote können möglicherweise eine zusätzliche Hilfestellung geben. Die nachfolgende Liste ist sicher nicht vollständig und viele kostenfreie Angebote kommen vielleicht zu kurz. Ihre Erfahrungen oder weitere Links zu kostenfreien Angeboten können Sie gern mit anderen Eltern auf unserer Facebookseite teilen:

Cornelsen Verlag
Freier Zugang (zwei Monate) zur Lernplattform Learnattack Leseo, die Plattform für Leseförderung in der Grundschule (3 Monate)

Westermann Verlag
und hier besonders für Grundschüler die „ANTON-Lernplattform‘ geeignet.

Klett Verlag
Klett Sensavis Lerntool kostenfreie Lizenz bis 30.04.2020, kostenlose Arbeitsmaterialien nach Fächern

 

Kinder schauen gern Videos – Online-Lernangebot

Eine essentielle Anlaufstelle bietet auch die Videoplattform Youtube. Dort unterrichtet beispielsweise Kai Schmidt über den Kanal ‚Lehrerschmidt‘ das Fach Mathematik. Er bietet Material für Schüler von der ersten bis zur zehnten Klasse dort an. Genauso auch Daniel Jung mit seinem Kanal ‚Mathe by Daniel Jung‘, der bis ins Mathematikstudium hinein Inhalte veröffentlicht.

Allgemeinwissen zu aktuellen und politischen und gesellschaftlichen Fragen bietet wiederum Mirko Drotschmann als ‚MrWissen2Go‘ auf Youtube an.

E-Lerning Apps wie ‚Study Smarter‘ liegen mit ihrem derzeitigen kostenfreien Angebot auf Rang 1 bei den App-Charts.

 

Der Lehrer ist die wichtigste Person im Klassenraum

Wenn sich in absehbarer Zeit eine Exit-Perspektive für die Schulen abzeichnet, werden wir wissen, dass es in einigen Fällen gelungen ist, die Aussetzung der Schulpflicht mit digitalen Angeboten zu überbrücken.

Wir wissen aber auch, dass ein Lehrer die wichtigste Person im Klassenzimmer ist. Er vermittelt nicht nur Wissen, sondern auch Werte und Normen. Momentan fehlt die Rückmeldung, Korrektur und vor allem die Phasen der Wiederholung und Übung. Besonders die Grundschüler, die noch darauf angewiesen sind, die grundlegenden Kulturtechniken zu lernen, trifft dies härter. Es fehlt der Sitznachbar, unmittelbare Antworten auf spontane Fragen, Partnerarbeit usw.

Lernen erschöpft sich eben nicht nur in Wissensvermittlung, sondern ist eine Übung im ‚Umgang mit Wissen‘. Selbst die beste Lernplattform kann Unterricht und Schule nicht ersetzen. Ohne Anleitung und Rückkopplung werden viele in der Fülle der Angebote verlorengehen.

 

Positive Effekte der Krise

Welcher berufstätige Vater hätte sich vor kurzen noch vorstellen können, dass er mit seinen pubertierenden Kids regelmäßig am Mittagstisch sitzt und sich über die ethischen Probleme einer Zwangsquarantäne oder den neuen Podcast eines Berliner Virologen unterhält?

Die Corona-Krise wird sicherlich auch Gutes bewirken und einen kleinen Digitalisierungsboom auslösen. Hinzu kommt die Wertschätzung, wie viel Schule leistet. Wir merken, wie viel Erfahrung, Geduld und Wissen nötig ist, um Lernstoff zu vermitteln und Schüler zu motivieren.

 

Tipp: Der deutsche Berufsverband der Psychologinnen und Psychologen hat eine Hotline zur psychologischen Beratung in Corona-Krisenzeiten eingerichtet. Die Hotline (0800 777 22 44) ist täglich von 08:00 bis 20:00 Uhr geschaltet. Mehr dazu hier.

 

Bleiben Sie gesund!

Ihre Eva Tiedke-Trimborn