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Master statt Meister?

Die Entscheidung, unseren ökologischen Fußabdruck zu verringern hat zwar etwas gedauert, aber durch die Zusage der staatlichen Förderung klappte letztlich auch unsere Finanzierung. Der Einbau einer Wärmepumpe war geplant. Ausgebremst wurden wir durch den aktuellen Handwerkermangel bzw. dem fehlenden Fachpersonal gepaart mit dem Ukraine-Krieg. Weil die Aufträge nur so hereinprasseln, aber die Fachkräfte fehlen, sind die Wartezeiten auf Handwerker so lange wie noch nie. Und ein Ende der Misere ist noch nicht in Sicht. Wir sind frustriert!

 

Deutschland versucht, sich im Eiltempo von fossilen Brennstoffen loszusagen. Um die Nachfrage zu befriedigen, müssen zahlreiche Solaranlagen und Windräder montiert werden. Doch der beschlossenen Energiewende/Klimaziele der Bundesregierung bis 2050 steht ein akuter Fachkräftemangel im Handwerk gegenüber. Die Wartezeiten für gut ausgebildete Handwerker sind lang – und ein Ende des Missstandes ist noch lange nicht in Sicht.

Abiturientenschwemme trifft auf Fachkräftemangel

Erziehung, Bau, Pflege: Hier fehlt es an Fachkräften – laut der neuen Arbeitsmarktstudie in Deutschland allein eine Viertelmillion Handwerker. Die Ursachen sind vielfältig: Einerseits ist der verschärfte Nachwuchsmangel durch die geringen Geburtenzahlen für den Engpass verantwortlich, andererseits gesellschaftliche Zwänge und unser Bildungssystem, warum immer mehr junge Leute ein Studium anstreben. Nicht erst seit kurzem gilt das Abitur als Sprungbrett für eine bessere Karriere- und Einkommensperspektive.

„MACH ABITUR, GEH STUDIEREN, DANN WIRST DU ES EINMAL BESSER HABEN ALS WIR!“ ist ein Satz, den wir noch aus unserer Kindheit kennen.

Falsche Ausbildung durch mangelnde Beratung

Besonders in der IT, der Pflege oder dem Bau, wird nach Fachkräften gefahndet. Es steht auch deswegen so schlimm, weil viele Realschüler oder Abiturienten, die einst eine solide Ausbildung machten, heute die Uni vorziehen. 392 deutsche Hochschulen bieten derzeit insgesamt 20.359 Studiengänge an – fast doppelt so viele wie noch vor 15 Jahren. Rund 2,9 Millionen Studentinnen und Studenten sind gerade immatrikuliert. Viele entscheiden sich nach der Schule auch deshalb für ein Studium, da sie im späteren Leben auf ein höheres Gehalt hoffen.

Dabei erweist sich das für ein Viertel von ihnen als Fehleinschätzung ihrer Interessen, Überschätzung der eigenen Fähigkeiten oder eine schlechte Beratung. Allein in den MINT-Fächern – also in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik – brachen 2021 rund 43 Prozent der Wissenshungrigen ihr Studium ab.  Viele Hochschulabsolventen müssen auch einsehen, dass ihre Berufschancen im Großen und Ganzen viel schlechter sind als angenommen.

Der Meister oder Techniker macht sich in der Regel deutlich schneller bezahlt. Im Alter von 40 Jahren haben Handwerker ihre Bildungsinvestition in der Regel wieder eingespielt, ganze drei Jahre früher als Akademiker. Interessanterweise ist auch die Arbeitslosenquote bei Meistern und Technikern niedriger als bei Hochschulabsolventen.

Was lässt sich gegen den Handwerkermangel tun?

Eines ist klar: Ohne Handwerker wird allein schon die Energiewende nicht umzusetzen sein.

Es braucht in der Gesellschaft ein radikales Umdenken. In erster Linie sollte das Ansehen einer handwerklichen Ausbildung verbessert werden, um mehr junge Menschen dafür zu begeistern. Dies bedeutet aber eine gezielte Aufwertung der Handwerksberufe, die unter einem schlechten Image leiden.

Die duale Ausbildung in Deutschland –  als international gefragten Erfolgsmodells – bietet sich als gute Alternative zum Studium an. Die Gehälter in handwerklichen Berufen müssen angepasst werden, damit eine Ausbildung als ebenbürtige Alternative zum Studium infrage kommt. Abiturienten auf Jobsuche könnten gerade größere Mittelständler mit einem Dualen Studium ködern. Praxis im Unternehmen, Theorie an der Fachhochschule – das ist für viele Abiturienten, die keine geborenen Bücherwürmer sind, eine optimale Kombination.

Die größten Probleme, Auszubildende zu finden, haben Betriebe in der Industrie, im Baugewerbe und im Handel sowie kleine und mittständische Unternehmen. Bisher haben es die Unternehmen nicht geschafft, die jungen Leute für sich zu begeistern – trotz großer Unterstützung auch von der Arbeitsagentur. Gut informierte Mittelständler parken Schülerpraktikanten im Betrieb nicht, damit sie mal „zusehen können“. Sie locken mit aufwändig ausgearbeiteten und begleiteten Praktika, um junge Menschen für eine neue Materie zu begeistern. Tue Gutes – und werbe damit. Auch mit einer Ausbildung stehen viele Wege und Karrierepfade offen. Aber wie viele Abiturienten oder Betriebe wissen das? Sogar EU-geförderte Auslandspraktika wie bei den Studenten sind für Auszubildende – selbst in kleineren Betrieben – möglich. Doch die wenigsten Unternehmen nutzen diese Chance.

Handwerksberufe müssen aufgewertet werden

Das Umdenken muss bereits während der Schulzeit beginnen. Die Gymnasien müssen die Perspektive auf einen Beruf ohne Studium mehr fördern. Stattdessen bekommen die Schüler meist vom ersten Tag der Oberstufe an eingebläut, wie wichtig der Numerus Clausus für ihre Studienfähigkeit und damit für ihre ganze Zukunft sein wird. Ein enormer Druck, unter dem viele Jugendliche in die Knie gehen.

Neben einer besseren Reputation für das Handwerk muss während der Schulausbildung mehr Information zum Thema Handwerksberufe zusammen mit Werklehrern und Werkstätten an Schulen angeboten werden. Insbesondere die jungen Frauen sollten als Zielgruppe mehr in den Fokus gerückt werden. Handwerksberufe werden immer noch von Männern dominiert, was viele Frauen einschüchtert.

Anforderungen an eine Ausbildung wachsen

Die Akademisierung vieler Ausbildungsberufe schreitet voran, für die einem einst eine solide Ausbildung außerhalb von Universität und Fachhochschule genügte. Die Hotelkauffrau wird zur Bachelor of Arts (BA) Restaurantmanagement, der Speditionskaufmann zum BA of Logistikmanagement. Auch die Hebamme hat sich akademisiert. Seit 2020 muss sie studieren, so will es der Staat – vielen EU-Staaten folgend – mit dem Hebammengesetz (HebG).

Die Anforderungen machen auch vor dem Handwerk nicht halt. Immer häufiger kommen Verfahren wie der 3D-Druck zum Einsatz. Heutzutage gestalten Stuckateure mithilfe eines Computers Stilelemente zur Restaurierung bedeutender Denkmäler, Bluetooth-Module verraten die genaue Position von Werkzeugen. Die Anforderungen in den einzelnen Handwerks-Berufen, insbesondere Klimaberufe sind sehr anspruchsvoll geworden. Azubis müssen länger und intensiver ausgebildet werden. Moderne Ausbildungszentren sind unverzichtbar, um künftigen Anforderungen gerecht zu werden. Viele Azubis brechen ihre Ausbildung vorzeitig ab, bei den Prüfungen herrscht eine Durchfallquote von 55 %.

FAZIT

Gute Handwerker sind inzwischen wertvoll wie Goldstaub. Soll der Handwerkermangel behoben werden, muss ein Umdenken auf allen Ebenen stattfinden. Strukturen müssen geändert, Rekrutierungsprozesse angepasst und flexibler agiert werden. Als großer Hebel derzeit wird die Migration in Betracht gezogen. Sie ist aber vor allem auch Integrationspolitik, um die Fachkräfte im Land zu halten.